Im BlickfeldAushängeschild des Made in Italy

Italiens Luxusyachten dominieren den Weltmarkt

Italienische Luxusyachten sind weltweit gefragt. Die größten Hersteller verbuchen Umsätze in Milliardenhöhe - die Branche ist das Aushängeschild der Wirtschaft. Zahlungskräftige Kunden gibt es jederzeit genug.

Italiens Luxusyachten dominieren den Weltmarkt

Italiens Luxusyachten

Italiens Luxusyachten segeln weltweit voraus

Die Branche, die ihren Schwerpunkt zwischen La Spezia und Livorno hat, ist ein Aushängeschild des Made in Italy

bl La Spezia
Von Gerhard Bläske, La Spezia

Die Luxusyachten-Hersteller sind das Aushängeschild der italienischen Wirtschaft. „Die Branche hat für Italien eine Bedeutung wie die Autoindustrie in Deutschland“, sagt Massimo Perotti, CEO und Mehrheitsaktionär der börsennotierten Sanlorenzo-Gruppe, der Börsen-Zeitung. Die Unternehmen stehen für einen Umsatz von 8 Mrd. Euro. Mehr als die Hälfte der weltweiten Bestellungen von Schiffen mit einer Länge von mehr als 24 Metern entfallen auf Unternehmen aus dem Bel Paese. „Wir sind nicht abhängig von Zyklen. Unsere Kunden leiden nicht unter höheren Zinssätzen oder wirtschaftlichen und geopolitischen Krisen. Sie können es sich leisten, unsere Boote mit einem Durchschnittspreis von 12 Mill. Euro zu kaufen“, sagt Perotti.

Sanlorenzo ist mit einem Umsatz von 840 Mill. Euro (2023), der in diesem Jahr auf 900 Mill. Euro steigen soll, die Nummer drei. Auf Platz eins liegt das Familienunternehmen Azimut Benetti mit einem Umsatz von 1,3 Mrd. Euro, auf Platz zwei die börsennotierte Ferretti Group mit den Marken Riva, Pershing, Itama, Crn, Wally, Ferretty Yachts, Custom Line und Erlösen von 1,1 Mrd. Euro.

Blick auf den Hafen von Portofino in der Provinz Genua: Die Hersteller von Luxusyachten sind das Aushängeschild der italienischen Industrie. (Quelle: picture alliance/Bildagentur-online/Widmann)

Ein Großteil der Unternehmen produziert im Golf von La Spezia und im anschließenden Küstenabschnitt bis ins toskanische Livorno. Wie ein Fjord hat sich die malerische Bucht in die ligurischen Seealpen eingeschnitten. Im 19. Jahrhundert kamen Schriftsteller wie Lord Byron, Percey Byssh Shelley, D.H. Lawrence und der Schweizer Maler Arnold Böcklin. Der „Golfo dei Poeti“ weckte auch das Interesse der Marine, die hier ihren wichtigsten Flottenstützpunkt einrichtete.

Klangvolle Namen

Der Marinekonzern Fincantieri baut in La Spezia noch heute Kriegsschiffe und Schiffskanonen. Noch bedeutsamer sind aber die Werften, die sich entlang der Viale San Bartolomeo östlich der Stadt niedergelassen haben. Fast hinter jeder Biegung wartet ein anderer klangvoller Name aus der Welt der Luxusyachten. Perini, die zur börsennotierten Italian Sea Group gehört; Riva, längst eine Ikone und Teil der Ferretti-Gruppe. Baglietto, ein Yachtbauer in Familienhand. Und Sanlorenzo. Nach einer kurzen Unterbrechung folgen in Ameglia, Massa, Carrara, Viareggio und Livorno weitere Werften. „Dieses Cluster ist fundamental für uns und einzigartig in der Welt“, meint Perotti.

Die vielleicht schillerndste dieser Perlen ist Baglietto. „Wir sind eine Boutique-Werft“, sagt Michele Deprati, CEO des 170 Jahre alten Unternehmens. Die Yachten werden nach Maß hergestellt, quasi wie ein Schneider, der Anzüge maßanfertigt.

Dicke Orderbücher

„Wir sind ausgelastet bis 2027“, sagt Werftchef Deprati. Bestellungen im Volumen von 500 Mill. Euro stehen im Orderbuch. Den Umsatz gibt er mit 140 Mill. Euro an. Die Bruttomarge soll bei über 15% liegen. Besonders freut Deprati, dass „unser gesamter Jahresgewinn reinvestiert wird. Das gibt uns große Sicherheit.“

2008 war Baglietto pleite. Nach der globalen Finanzkrise wurden Bestellungen in Serie storniert. Beniamino Gavio, Patron des gleichnamigen Familienkonglomerats, das sein Geld mit Logistikdienstleistungen verdient und ein Autobahnnetz betreibt, rettete den renommierten Produzenten. Gavio hatte zuvor den US-amerikanischen Hersteller Bertram erworben und griff nun bei Baglietto zu und investierte kräftig. Davon zeugen zwei moderne verglaste Verwaltungsgebäude, eins davon an eine Schiffsform angelehnt, drei riesige Hangars und modernste Kräne und Hebe-Einrichtungen auf dem 35 000 Quadratmeter großen Firmengelände.

Sonderwünsche willkommen

CEO Deprati steht seit 2011 an der Spitze von Baglietto. Er machte den Yachtenhersteller wieder rentabel und setzte auf Individualität und Perfektion. Die Fertigungsprozesse bei Baglietto sind handwerklich, nicht industriell. Viele der Handwerker, die auf dem Gelände arbeiten, sind für spezialisierte Zulieferer wie Metallbauer, Elektro-Betriebe oder Schreiner tätig.

Bis zu 60 Mill. Euro blättern die Kunden für eine Baglietto hin. Das schnittige Design der Schiffe erinnert an Sportwagen. Der Hersteller erfüllt alle Sonderwünsche: Vom Hubschrauber-Landeplatz über den Tanzboden bis hin zum zweistöckigen Pool.

Früher leisteten sich Ex-Fiat-Chef Giovanni Agnelli und der Komponist Giacomo Puccini eine Baglietto. Heute sind die Kunden meist Unternehmer, über die Deprati nichts sagen will. Sie kommen zu jeweils 40 Prozent aus Europa und Nordamerika. Anspruchsvoll seien sie alle, so Deprati: „Manche kommen mit einem fertigen Design-Konzept zu uns.“ Die Beziehungen zu den Kunden sind sehr eng. Der Bau eines Schiffes dauert bis zu drei Jahre und erfolgt in enger Abstimmung mit den Bestellern, die regelmäßig vorbeischauen.

Diversifizierung läuft

Es läuft gut. Dennoch diversifiziert Deprati. Im nahen Carrara stellt die Baglietto Group kleinere Boote her, Schiffe der US-Gavio-Tochter Bertram und schnelle Patrouillenboote für die Marine. Das knüpft an die mit Torpedos bewaffneten Baglietto-Motorboote an, die im Ersten und Zweiten Weltkrieg zum Einsatz kamen.

Auch Sanlorenzo-CEO Perotti will sich nicht allein auf die Luxusyachten verlassen. Gerade hat er den Kauf von Nautor Swan, einem sehr angesehenen Hersteller von Luxus-Segelyachten angekündigt. „Die Übernahme von Swan ermöglicht es uns, in einen Bereich zu expandieren, in dem wir noch nicht vertreten sind. Dieser Sektor bietet ein großes Wachstumspotenzial. Swan ist komplementär zu unseren Produkten. Außerdem ist ihr Geschäftsmodell mit kultivierten Kunden, die auf Nachhaltigkeit achten, dem unseren sehr ähnlich.“, sagt dazu Perotti.

Massimo Perotti (Quelle: Sanlorenzo Yachts)

„Wir könnten unsere Produktion leicht verdoppeln“, versichert Baglietto-Chef Deprati, aber wir wollen nicht.“ Mehr als sechs Auslieferungen pro Jahr sollen es aus Qualitäts- und Imagegründen nicht werden“ – eine künstliche Verknappung, um die Exklusivität zu wahren. Und man wolle auch keine Yachten über 70 Meter Länge produzieren, wie etwa die deutsche Lürßen-Werft.

Die hohen Unterhaltskosten schrecken die Kunden nicht. Allein eine Tankfüllung von 80.000 Litern Diesel für eine Baglietto kostet ein Vermögen. Dazu kommen Mannschaften von bis zu zehn Personen, Hafengebühren, Wartung und regelmäßige Umbauten. Das so genannte „Re-Fitting“, die Wartung und Erneuerung, ist ein ertragsreiches Geschäft, das sowohl Sanlorenzo als auch Baglietto ausbauen.

Die Aussichten sind glänzend. Weltweit gibt es immer mehr Superreiche, die sich ein Flugzeug, einen Ferrari oder eben eine Luxusyacht zulegen wollen. 

Neue Antriebsformen

Doch die Produzenten können sich nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen. Sie investieren in neue, leichtere Materialien wie Aluminium, Karbon − und in neue Antriebsformen. Baglietto hat Hybrid-Antriebe im Sortiment, die es erlauben, kürzere Strecken etwa im Hafen elektrisch zu fahren. Für die Zukunft setzt Baglietto auch auf Wasserstoffantriebe. Das ist ein weiter Weg, doch Deprati glaubt an das Potenzial und hat direkt am Quai eine kleine Power Station zur Erzeugung von Wasserstoff installieren lassen.

Auch Sanlorenzo setzt auf die Elektrifizierung. „Wir haben einen Exklusivvertrag mit Siemens über die Entwicklung von methan- und wasserstoffelektrischen Antrieben abgeschlossen. Das erste Projekt, ein 50 Meter langes Schiff, werden wir im September auf der Messe in Monaco vorstellen“, berichtet Perotti.

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