Jagd auf die Influencer
Notiert in Madrid
Jagd auf die Influencer
Von Thilo Schäfer
In Spanien beginnt Anfang April die nicht sonderlich beliebte campaña de la renta, die drei Monate bis Ende Juni, in denen die Bürger ihre Steuererklärung einreichen müssen. Wie jedes Jahr macht das Finanzamt mit medienwirksamen Äußerungen und Aktionen Druck auf die Steuerzahler, damit sie ihren Pflichten nachkommen. Am Montag veröffentlichte die Agencia Tributaria einen neuen Plan, der vor allem auf betuchte Personen abzielt, bei denen „eine Diskrepanz zwischen Lebensstil sowie äußeren Anzeichen von Reichtum mit der Steuererklärung und dem angegebenen Vermögen“ besteht.
Um diesen Menschen auf die Schliche zu kommen, bedienen sich die Finanzbeamten auch der bunten Presse, die über das luxuriöse Leben von Promis und Reichen berichtet, sowie sozialer Medien wie Instagram. Zudem nutzt das Finanzamt zunehmend Big Data und Metadaten bei Fotos und Videos, um Steuerbetrüger aufzuspüren.
Scheinfirmen im Visier
Die Hinterziehung läuft meistens über Scheinfirmen. Die Agencia Tributaria ging in den letzten Jahren aber auch verstärkt Menschen auf die Spur, die ihren festen Wohnsitz angeblich nicht in Spanien haben und anderswo den Großteil ihres Einkommens versteuern. Der spektakulärste Fall war Shakira. Die kolumbianische Sängerin soll von 2012 bis 2014 entgegen ihrer Angaben die Mehrheit des Jahres in Barcelona gelebt haben, als sie mit dem Fußballer des FC Barcelona, Gerard Piqué, liiert war. Nach einem medienwirksamen Prozess einigte sich die Interpretin des WM-Hits „Waka Waka“ mit der Staatsanwaltschaft, um einer Haftstrafe zu entgehen.
Der neue Plan verschärft die Jagd auf ein Berufskollektiv, das nicht ortsgebunden ist. Dutzende spanische Influencer siedelten nach der Pandemie ins benachbarte Andorra um. Das Fürstentum in den Pyrenäen lockt mit einer Einkommenssteuer von maximal 10%, wobei die ersten 24.000 Euro steuerfrei bleiben. Unter den Steuerexilanten sind im spanischsprachigen Raum bekannte Gesichter wie El Rubius, The Grefg oder Sara Biyín. Das Finanzamt sorgt sich darum, dass diese Leute einen schlechten Einfluss auf die Steuermoral junger Menschen in Spanien haben.
Fluchtburg Andorra
Andorra wirbt mit anderen Vorteilen, wie einem flächendeckenden Glasfasernetz in dem Staat mit 80.000 Einwohnern. Ein schnelles Internet ist fundamental für das Geschäftsmodell der Influencer, die Videos über Youtube, Twitch und andere Plattformen streamen. Auf ausländische Kunden fokussierte Firmen werben auch mit dem Networking-Faktor und der schönen Bergwelt, die ja auch inspirierend wirkt, wenn auch der Glamour der Metropolen fehlt.
Das spanische Finanzamt hat in den letzten Jahren bei vielen Influencern genau hingeschaut, wo ihre gelegentlichen analogen Aktivitäten stattfinden und sie die meiste Freizeit verbringen. Denn ein Abkommen zwischen Spanien und Andorra sieht vor, dass dort Steuern anfallen, wo „der Lebensmittelpunkt“ des Zahlers anzusiedeln ist. Manche der Stars der digitalen Welt, wie El Rubius oder Sezar Blue, mussten gegenüber den spanischen Behörden beweisen, dass sie tatsächlich 184 Tage im Jahr in Andorra verbringen und ein paar von ihnen bekamen Strafen aufgebrummt. Die frische Bergluft ist auf Dauer schließlich nicht jedermanns Sache.