LeitartikelSamsung Electronics

Kein Zurück zum Gestern für Samsung

Gründersohn Lee Jae-yong ahmt den harschen Führungsstil seines Vaters nach, um Samsung Electronics aus der Krise zu führen. Lieber sollte er sich zurückziehen.

Kein Zurück zum Gestern für Samsung

Samsung Electronics

Kein Zurück zum Gestern

Von Martin Fritz

Gründersohn Lee sollte sich besser zurückziehen, als den überholten Führungsstil seines Vaters zu kopieren.

Etwas ist faul bei Samsung Electronics. Südkoreas größtes Unternehmen müsste ein großer Nutznießer des KI-Booms sein. Es sollte mehr Speicherchips für Rechenzentren und mehr Spezialspeicher für KI-Chips verkaufen und mehr Aufträge von Dritten für die Fertigung von KI-Prozessoren erhalten. Stattdessen verloren viele Sparten des Hardware-Riesen aus Suwon im Vorjahr global Marktanteile, ob Dram-Speicher, Smartphones, Displays oder Fernseher. Das Foundry-Auftragsgeschäft schrieb einen Milliardenverlust. Die Aktie sank um ein Drittel auf ein Vierjahrestief.

Krisenzeichen erkannt

Die Führung des Giganten hat die Krisenzeichen an der Wand erkannt. Gründersohn Lee Jae-yong forderte von allen Managern eine Alles-oder-nichts-Mentalität. „Nicht die Krise zählt, sondern unsere Einstellung, wie wir damit umgehen“, erklärte Lee in einer Videobotschaft. Co-CEO Han Jong-hee entschuldigte sich auf der Hauptversammlung am 19. März bei den Aktionären für das Nachlassen der technologischen Wettbewerbsfähigkeit. Han, der kurz danach einem plötzlichen Herzversagen erlag, versprach neues Wachstum durch Zukäufe im Halbleiterbereich, auch wenn regulatorische Fragen und nationale Interessen bremsten. Doch die zentrale Frage, warum der erfolgsverwöhnte Hardware-Meister aus dem Tritt gekommen ist, stellt niemand bei Samsung, zumindest nicht öffentlich. Als interne Antwort predigt Lee das Zurück zu alten Werten. In obligatorischen Seminaren müssen die 2.000 Manager direkt unter der Vorstandsebene studieren, wie Gründer Lee Byung-chul eine kleine Handelsgesellschaft in ein Konglomerat verwandelte und sein Sohn Lee Kun-hee die Elektroniksparte zu einem Weltkonzern formte.

Geheimnisse des Erfolgs

Der Erfolg basierte zunächst auf „Abkupfern“ (Steve Jobs). In Online-Foren verhöhnte man Samsung als „SameSung“. Doch Lee Kun-hee setzte mit dem Slogan „Ändere alles außer deiner Frau“ einen Qualitätssprung durch. Samsung verzahnt Entwicklung und Produktion und spart so Zeit. Die Hälfte der Ingenieure baut an der Fertigungslinie, die andere Hälfte erarbeitet das Know-how für die nächste Chipgeneration. Dabei absolvieren sie ein extrem hohes Arbeitspensum. Symbol dafür sind Schlafsäcke unter den Schreibtischen. Samsung investiert auch entgegen dem Schweinezyklus in der Halbleiterindustrie. Wenn die Preise fallen und die Rivalen sparen, modernisiert Samsung die Anlagen und kommt beim nächsten Aufschwung als Erster aus den Boxen. Dabei führte Lee Kun-hee den Konzern wie ein Diktator, schürte die Rivalität der Manager, erzeugte Leistungsdruck.

Diese Rezepte funktionieren schon länger nicht mehr. Chinesische Rivalen produzieren Standardware bei Chips, Fernsehern, Displays, Smartphones und Konsumelektronik billiger. Die extrem hohen Investitionen in die nächste Chipgeneration rentieren sich nicht mehr schnell. Der Fokus auf kostengünstigem und schnellem Output und die hierarchische Monofirmenkultur aus männlichen Ingenieuren beschränken die Kreativität. Schon Apples iPhone erwischte Samsung auf dem falschen Fuß. Nun hinkt man SK Hynix hinterher, die mit ihren HBM-Spezialspeicherchips für die KI-Prozessoren von Nvidia davongeeilt ist. Beim Foundry-Geschäft bleiben die Kunden offenbar auch aus, weil Samsung technologisch hinter Marktführer TSMC zurückliegt. Das 17-Mrd.-Dollar-Foundry-Werk bei Austin droht zur Investitionsruine zu werden.

Autorität durch Familiennamen

Konzerngründer Lee hielt Samsung im Dauerkrisenmodus, um Höchstleistungen zu erzielen. Mit seinem Spruch „Wenn du dich entscheidest zu sterben, wirst du leben“ ahmt Lee Jae-yong die Strategie seines Vaters nach. Aber ihm fehlen dessen Charisma und Visionen. Das weltwirtschaftliche Umfeld hat sich drastisch gewandelt. Auch der Top-down-Führungsstil, kultiviert während der Militärdiktatur, passt nicht mehr ins demokratische Südkorea. Lee nennt sich „Executive Chairman“, sitzt aber nicht im Verwaltungsrat. Seine Autorität beruht nur auf dem Familiennamen. Er sollte sich aus der Führung zurückziehen und auf seine Rolle als Aktionär beschränken. Das wäre ein besseres Aufbruchssignal an die 126.000 Mitarbeiter in Südkorea als martialische Parolen.

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