Kreditgeschäft

KfW leitet mit Negativzinsen Wende ein

Seit Anfang Juli gibt es auch bei der Förderbank KfW Negativzinsen. Für die Endkunden gibt es aber weiterhin einen Aufschlag.

KfW leitet mit Negativzinsen Wende ein

Von Jan Schrader, Frankfurt

Die Ketten sind gesprengt: War die Nulllinie bisher meist das Minimum, an das die Förderbank KfW in der Zinsberechnung gebunden war, so kann sie seit Anfang Juli auf breiter Front Negativzinsen in ihren Systemen darstellen – und zwar in Kooperation mit gewöhnlichen Banken und Sparkassen, die Förderdarlehen der KfW ausreichen. Die Endkunden, also Privatleute und Unternehmen, erhalten zwar weiterhin einen positiven Zinssatz, da die kreditgebenden Banken ihrerseits eine bestimmte Marge aufschlagen, um Kosten und Risiken zu decken. Doch gefallen sind die Zinsen mit Stichtag 1. Juli für etliche Programme, wie die neuen Kreditkonditionen zeigen.

Gerade Unternehmen spüren das: Die Programmgruppe der Digitalisierungs- und Innovationskredite sieht in mehreren Varianten – je nach Risikoklasse – einen Sollzinssatz von 0,01% bis 2,89% vor, während die Spanne zuvor bei 1,00% bis 3,88% lag. Umwelt- und Klimaschutzkredite sowie Gründerdarlehen sind nun ebenfalls vielfach billiger, in einer Klimaschutzvariante etwa fällt die Spanne auf 0,04% bis 6,44%, während sie zuvor bei 1,03% bis 7,43% lag. Und auch Privatleute profitieren erheblich: Wenn sie Haus oder Wohnung altersgerecht umbauen, können sie ein KfW-Darlehen mit einem Sollzins ab 0,04% beziehen, nachdem der Satz zuvor einheitlich bei 0,78% lag. In der großen Programm­gruppe „Energieeffizient Bauen und Sanieren“, die unter dem Begriff „BEG Wohngebäude“ neu aufgestellt wurde, fielen die Zinsen ebenfalls, wenn auch nicht ganz so deutlich.

Zwar fallen die Änderungen unterschiedlich aus. Die Zinssätze sind nach Laufzeit, tilgungsfreien Jahren und Zinsbindung gestaffelt, nicht überall fällt der Wert. Aber im Vergleich der alten und neuen Konditionstabellen ist die Tendenz klar erkennbar. Auch andere Förderinstitute senken ihre Zinsen, etwa die Landwirtschaftliche Rentenbank.

Eine bekloppte Idee?

Erstmals dachte der damalige Bankchef Ulrich Schröder 2015 laut über Minuszinsen nach – „bekloppt“ nannte die Börsen-Zeitung die Situation damals. Nach Schröders Vorstoß äußerte sich die KfW lange nicht mehr dazu, bis der heutige Bankchef Günther Bräunig im November 2019 offiziell die Einführung in Aussicht stellte. Nicht mehr ganz so verrückt, aber weiter ungewöhnlich erscheint die Idee der Minuszinsen auch heute. Die KfW spricht lieber von „negativen Bankeneinständen“ und betont, dass die Endkunden weiterhin einen positiven Satz erhalten. Da die Bank von einer Garantie des Bundes profitiert und sich längst zu negativen Sätzen am Kapitalmarkt refinanzieren kann, ist es zumindest aus ihrer Perspektive naheliegend, diesen Vorteil im Kreditgeschäft weiterzugeben.

Wäre die Pandemie nicht gewesen, hätten KfW und weitere Förderbanken womöglich schon im Herbst Negativsätze eingeführt. So aber hat die Bank in einem ersten Schritt zu Jahresbeginn Negativzinsen im Direktgeschäft mit Kommunen, Leasingfirmen und Landesförderbanken gestartet, ehe wenig später bestimmte Individualdarlehen an Firmen an der Reihe waren. Das standardisierte Massengeschäft, das die KfW über Banken und Sparkassen abwickelt, ist erst jetzt gefolgt. Das Projekt war komplex, weil nicht nur die KfW, sondern die gesamte Kreditwirtschaft ihre Systeme angepasst hat.

Eine auf Dauer ausgerichtete Zinssenkung erscheint plausibel. Spielraum ist vorhanden: 1 Mrd. Euro beträgt die strategische Zielgröße der Förderbank für den Gewinn, die sie jedoch wiederholt übertroffen hat. Ohne die Effekte der Pandemie hätte die KfW auch im vergangenen Jahr mutmaßlich rund 1,4 Mrd. Euro Gewinn gemacht statt nur gut 500 Mill. Euro. In den Jahren zuvor lag das Konzernergebnis wiederholt in der Größenordnung von eineinhalb Milliarden oder sogar darüber.

Die Gewinnrücklage ist stetig gestiegen und steht zur Jahreswende bei 19,4 Mrd. Euro. Die Kernkapitalquote ist mit 24,1% komfortabel. Eine Unbekannte sind noch die künftigen Regeln aus der Vollendung der Eigenkapitalvorgaben nach Basel III, die sich erheblich auf die Kapitalquote auswirken könnten und somit mittelbar auch auf den Spielraum für künftige Förderung. Die KfW-Führung hat sich aber zuversichtlich gezeigt, dass die Politik die Folgen der Baseler Regeln abmildern wird.

Berlin mischt mit

Die Folgen der Negativzinsen werden vermutlich über kurz oder lang in der Gewinn-und-Verlust-Rechnung sichtbar sein: Sofern die Förderbank einfach nur ihren Refinanzierungsvorteil weiterreicht, sinkt tendenziell der Zinsüberschuss, der im vergangenen Jahr noch bei 2,6 Mrd. Euro lag. Wendet die Bank darüber hinaus Mittel für Zinsverbilligungen auf, steigt der Förderaufwand, der über Jahre hinweg gesunken war (siehe Grafik).

Welchen Weg die Bank geht, hängt aber auch von den Vorgaben aus Berlin­ ab. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat die Zinssenkung der KfW bereits zum Anlass genommen, um in einer Presseerklärung die Finanzierung der Digitalisierung als Grundlage für Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze hervorzuheben. Auch die künftige Bundesregierung wird die Kreditanstalt wohl für neue Vorhaben mobilisieren. Die neue Freiheit im Kreditgeschäft könnte also mit weiteren Wünschen aus Berlin verbunden sein.