Knall auf Fall
Der nächste Paukenschlag aus dem Hause Fresenius. Carla Kriwet, die für den Neuanfang der Dialysetochter Fresenius Medical Care (FMC) auserkorene Vorstandschefin scheidet nur zwei Monate nach Amtsantritt wieder aus dem Unternehmen aus. Strategische Differenzen nennt der Aufsichtsrat schmallippig als Grund für den abrupten Abschied. Nach dem überraschenden Wechsel zuvor an der Spitze der Muttergesellschaft und diversen Gewinnwarnungen kann die Personalie nur für noch mehr Irritationen im Markt sorgen. Es bleibt unklar, welchen Kurs Fresenius unter der Leitung des ehemaligen Siemens-Managers Michael Sen einschlagen will. Angesichts der Diskussion nach dem Einstieg des Hedgefonds Elliott über eine mögliche Aufspaltung des Konzerns wären verlässliche Eckpunkte wünschenswert.
Es muss in kurzer Zeit heftig gekracht haben zwischen Kriwet und Sen. Der neue Fresenius-Chef ist ebenfalls erst seit zwei Monaten in der Funktion, drückt aber erkennbar auf die Tube, um die Ertragsschwächen zu beseitigen. In der Geschwindigkeit konnte oder wollte Kriwet offensichtlich nicht mithalten. Viel Zeit zum Gestalten wurde der Managerin indes nicht eingeräumt. Es geht augenscheinlich derzeit nicht um den großen Zukunftsentwurf, sondern um ambitionierte Kostensenkung und Performance-Verbesserung. Der operative Turnaround ist zunächst erste Managerpflicht, und der bisherigen Finanzchefin Helen Giza wird nun eher zugetraut, diese Aufgabe mit Nachdruck voranzubringen. Giza war mit Antritt von Kriwet zur Stellvertreterin aufgerückt und ihr war zuvor schon zusätzlich zum Finanzressort die Leitung der Transformation des Konzerns übertragen worden. Sie genießt den Vorteil, das Unternehmen schon ein paar Jahre zu kennen, steht aber organisatorisch auch mit in der Verantwortung für die jüngsten Fehlentwicklungen von FMC. Zudem stellt sich die Frage, weshalb sich Giza nicht schon im ersten Auswahlverfahren gegen Kriwet durchgesetzt hat, zumal sie der Aufsichtsrat nun einstimmig in die CEO-Position bestellt hat.
FMC, die rund die Hälfte zum Umsatz und operativen Ergebnis von Fresenius beiträgt, hat sich von der starken Säule im Konzern zum Sorgenkind entwickelt. Das Dialysegeschäft bewegt sich weiterhin in einem gesunden Markt, so dass die Rahmenbedingungen für Wachstum und Rentabilität gegeben sind. Im wichtigsten Markt Nordamerika muss FMC aber Personalengpässe und deutlich steigende Löhne und Materialkosten in den Griff bekommen. Kriwet hatte bereits „tiefgreifende Maßnahmen“ angekündigt, ihre Nachfolgerin muss liefern. Der Markt wartet endlich wieder auf positive Überraschungen von Fresenius. (Börsen-Zeitung, 7.12.2022)