In der Zwickmühle
EU-China
In der
Zwickmühle
Von Detlef Fechtner
Es gibt Vorbehalte, ob die angedrohten handelspolitischen Schutzinstrumente tatsächlich „zielgerichtet“ sind.
Allein schon aus protokollarischen Gründen fiel EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen beim Treffen mit Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping die Rolle des „bad cop“ zu. Schließlich war für Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron als Gastgeber eher der diplomatische Ton angezeigt. Von der Leyen ermahnte, forderte, drohte. Europa werde nicht zögern, „harte Entscheidungen“ zu treffen. Europa erwarte, dass China mehr Anstrengungen unternehme, um die Lieferung von Dual-Use-Gütern an Russland einzudämmen. Europa sei bereit, wenn nötig die handelspolitischen Schutzinstrumente in vollem Umfang zu nutzen.
Das wirkte entschlossen – und dürfte in Peking durchaus als (im doppelten Wortsinn) ausgesprochen klare Ansage des Handelspartners angekommen sein. Und ja, es gibt gute Argumente dafür, dass die EU-Kommissionschefin zentrale wirtschaftspolitische Vorwürfe an die chinesische Führung – staatlich forcierte Überkapazitäten etwa bei Elektroautos, ungleicher Marktzugang bei Ausschreibungen – offen an- und aussprach. So weit, so richtig.
Auf einem anderen Blatt steht, wie belastbar die damit verbundenen Drohungen sind. Die EU-Mitgliedsländer haben – abhängig von der Bedeutung des Handels mit China für ihre heimischen Volkswirtschaften – sehr unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie hart man handelspolitische Schutzinstrumente wie Zölle oder Ausschlüsse chinesischer Anbieter von Bieterverfahren anwenden sollte. Darüber hinaus gibt es, unter anderem in Berlin, erhebliche Vorbehalte, ob diese Schutzinstrumente tatsächlich „zielgerichtet“ sind – eine der wichtigsten Bedingungen für ihren Einsatz. Eine Belastung von E-Auto-Exporten aus China würde unterm Strich stark auf Kosten europäischer Autokonzerne mit chinesischer Produktion gehen und deutlich weniger zulasten jener chinesischen Autobauer, die für den Inlandsmarkt (über-)produzieren.
Von der Leyen konnte zwar darauf hinweisen, dass die EU-Behörde jüngst mit der erstmaligen Einleitung eines Verfahrens wegen Benachteiligung europäischer Firmen bei Auftragsvergaben bewiesen hat, es ernst zu meinen. Aber derlei Verfahren sind langatmig, in der Beweislast schwierig und selbst bei Erfolg allenfalls Nadelstiche. Eine echte Drohung, so wie sie von der EU-Kommissionschefin ausgesprochen wurde, sind sie nicht. Die EU-Behörde bleibt deshalb in einer Zwickmühle: Sie kann Chinas Politik der Überflutung der Weltmärkte mit Waren nicht tolerieren. Aber sie muss zugleich fürchten, im Falle eines offenen Handelsstreits am kürzeren Hebel zu sitzen.