Goodbye to Friendshoring
Nippon Steel
Goodbye to Friendshoring
Von Martin Fritz
Amerika kennt keine dauerhaften Freunde oder Feinde, nur Interessen. Diese Aussage, die Ex-Außenminister Henry Kissinger zugeschrieben wird, liefert eine mögliche Erklärung, warum Präsident Joe Biden die japanische Übernahme von US Steel ablehnte. Ein gutes Verhältnis seiner Demokratischen Partei zu den Gewerkschaften war Biden wichtiger als die Beziehungen zum wichtigsten US-Sicherheitspartner im Pazifik.
Biden behauptete, er habe „glaubwürdige Beweise“ dafür, dass Nippon Steel „Maßnahmen ergreifen könnte, die die nationale Sicherheit“ der USA „zu beeinträchtigen drohen“. Gemeint waren offenbar hypothetische Kürzungen der Stahlproduktion von US Steel nach der Übernahme, obwohl Nippon Steel zuletzt noch angeboten hatte, die Produktionsmenge ein Jahrzehnt lang beizubehalten. Was für ein Affront gegen Japan! Dort sind 50.000 US-Soldaten stationiert, die Streitkräfte beider Länder kooperieren eng. Dennoch stellte Biden Japan auf dieselbe Stufe wie den erklärten Gegner China.
Damit ist die Zeit gekommen, sich vom Konzept des Friendshoring, also der verstärkten Nutzung von Lieferanten aus verbündeten Ländern, zu verabschieden. Die Biden-Regierung hatte dieses Konzept 2022 als neuen Ansatz für ihre Handelspolitik propagiert. Die USA sollten sich auf Länder verlassen, die keine geopolitischen Sorgen bereiten oder mit denen man Normen und Werte teilt – eine perfekte Beschreibung von Japan. Zu Recht kritisierte Japans größte Wirtschaftslobby Keidanren, dass „Amerika, das sich für ein offenes und freies Handels- und Investitionsumfeld einsetzt, eine solche Entscheidung getroffen hat“.
Selbst wenn Nippon Steel vor Gericht eine zweite Prüfung der Übernahme erreichen sollte: Der US-Präsident besitzt ein Vetorecht und Donald Trump dürfte es ausüben, da er Zölle bevorzugt. Der japanische Stahlriese sollte sein Vorgehen nun kritisch hinterfragen. Diesen Deal in einem Wahljahr und im aufgeheizten Politklima der USA so schlecht vorbereitet zu versuchen, war anmaßend und naiv. Und ein teurer Fehler: Die Strafzahlung beim Rückzug aus dem Übernahmevertrag kostet Nippon Steel 565 Mill. Dollar.