Washington

Kongress­mitglieder und ihre fraglichen Wertpapier­geschäfte

Von „Insider“-Geschäften wollen sie nichts wissen, die Mitglieder des US-Kongresses bewegen sich aber in Sachen Wertpapierhandel in einer rechtlichen Grauzone. Als Mitglieder diverser Sonderausschüsse haben sie nämlich oft Zugang zu exklusiven Informationen über einzelne Unternehmen. Diese Lücke soll nun durch ein neues Gesetz geschlossen werden.

Kongress­mitglieder und ihre fraglichen Wertpapier­geschäfte

Während US-Präsident Joe Biden dank einiger legislativer Erfolge in der Gunst seiner Landsleute wieder gestiegen ist, scheinen sich die Parlamentarier in einem Dauertief zu befinden. Etwas mehr als die Hälfte der Amerikaner geben Biden schlechte Noten. Fast 80% der Amerikaner sind hingegen mit der Leistung ihrer Abgeordneten und Senatoren unzufrieden. Diesem Zustand will eine Gruppe von Kongressmitgliedern nun Abhilfe schaffen. Wenige Wochen vor den wichtigen Zwischenwahlen, die durchaus zu einer Kräfteverschiebung in beiden Kongresskammern führen könnten, wollen Demokraten und Republikaner ein Gesetz verabschieden, das sämtlichen Parlamentariern und ihren Familien den Handel mit Aktien erschweren oder gar verbieten würde, solange sie im Amt sind.

Sollte es der demokratischen Abgeordneten Abigail Spanberger aus Virginia und ihrem republikanischen Kollegen Chip Roy aus Texas gelingen, das „Trust in Congress“-Gesetz durch beide Kammern zu bekommen, würden sie im Ansehen der Wähler kräftig zulegen. Schließlich ist eine überragende Mehrheit der Amerikaner der Ansicht, dass Politiker unter keinen Umständen von Informationen profitieren sollten, über die sie ausschließlich infolge ihres Amtes verfügen.

Eine klare Sache, müsste man glauben, und ein Gesetz, das sowohl bei Republikanern als auch Demokraten auf breite Zustimmung stößt. Schließlich ist Insiderhandel illegal, und im Verlaufe der Jahre hat die Börsenaufsichtsbehörde Securities and Exchange Commission (SEC) in hunderten von Fällen Vorstandsmitglieder, leitende Manager, andere Mitarbeiter von Unternehmen sowie deren Familienmitglieder oder Freunde angeklagt, weil diese sich an „nicht öffentlichen Informationen“ bereichert haben.

In Bezug auf Politiker ist es aber deswegen schwierig, ein solches Gesetz zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen, weil Parlamentarier seit Jahren am Handel mit Wertpapieren kräftig verdient haben und viele nun zögern, sich selbst freiwillig Schranken aufzuerlegen. Sie bewegen sich nämlich in einer rechtlichen Grauzone, die von der SEC nicht erfasst wird. Folglich haben sie als Mitglieder diverser Kongressausschüsse häufig Zugang zu vertraulichen Informationen und kaufen oder verkaufen entsprechend Aktien, ohne juristisch belangt werden zu können.

Wie aus einer Studie der „New York Times“ hervorgeht, waren in den letzten Jahren knapp 100 Abgeordnete und Senatoren direkt oder indirekt in Geschäfte verwickelt, die einen Interessenkonflikt darstellen. So verkauften der republikanische Senator Tommy Tuberville aus Alabama und seine Frau Aktienoptionen von Microsoft, kurz bevor das Verteidigungsministerium dem Tech-Giganten bei dessen Bewerbung um einen Staatsauftrag in zweistelliger Milliardenhöhe eine Absage erteilte. Das Problem dabei: Tuberville sitzt im Streitkräfteausschuss des Senats und ahnte oder wusste womöglich sogar, dass der Deal platzen würde.

Anrüchige Geschäfte gibt es auch bei den Demokraten. So kaufte und verkaufte der Abgeordnete Dean Phillips Aktien von mehr als 20 Banken, während er im Finanzdienstleistungsausschuss des Repräsentantenhauses saß. Unter anderem, als gegen die Wells Fargo Bank ermittelt wurde, weil diese angeblich Konten ohne das Wissen der Kunden eröffnet hatte. Andere Beispiele beziehen sich auf Politiker, die mit den Anteilen an Pharma- oder Energieunternehmen handelten, während sie den einschlägigen Sonderausschüssen angehörten und maßgeblichen Einfluss auf neue Gesetze, Regularien und selbst die Auftragsvergabe hatten.

Das neue Gesetz würde den Aktienhandel nicht komplett unterbinden, sondern die Kongressmitglieder lediglich zwingen, während ihrer Amtszeit sämtliche Wertpapiere auf einem unabhängig verwalteten Treuhandkonto zu parken. Einige Parlamentarier wollen weiter gehen und ein komplettes Verbot in Gesetzesform gießen. Nancy Pelosi, die demokratische Fraktionsvorsitzende und Sprecherin des Repräsentantenhauses, bleibt aber realistisch. „Ich denke, dass wir jetzt einen Entwurf haben, der zum Erfolg führen könnte“, sagte die Kalifornierin. „Wir dürfen uns eben nicht am Idealfall orientieren, sondern an dem politisch Machbaren.“

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.