Lindner mit Herz, Kopf und Schlagfertigkeit
Starke Rhetoriker sind in der Politik im Vorteil – und eine Freude für ihr Publikum. So schien Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) bei seiner ersten Regierungsbefragung im Bundestag ausgesprochenes Vergnügen am Diskurs zu haben – und lieferte gleich eine Reihe neuer Informationen mit: zu Superabschreibungen für Unternehmen, zur Pendlerpauschale bei hohen Spritkosten, zur vorgezogenen Abschaffung der EEG-Umlage oder zur Entlastung der Bürger 2023 beim Einkommensteuertarif als Folge der sogenannten kalten Progression. Nach der Notgemeinschaft der großen Koalition ist diese verbale Klarheit zu Plänen der Regierung geradezu eine Erholung. Das schwarz-rote Bündnis belauerte sich am Ende nur noch. Die Beteiligten versuchten, öffentlich möglichst fehlerfrei und damit nichtssagend durchzukommen.
Der Provokation der AfD im Parlament ist Linder locker gewachsen und hat auch daran noch Vergnügen. Er touchiert mit dem Florett, nicht mit dem Degen. Dem finanzpolitischen Sprecher der AfD, Kay Gottschalk, hielt er mit ernster Miene entgegen, es sei eine beklagenswerte Realität, die auch er, Lindner, anerkennen müsse: „Die FDP hat bei der Bundestagswahl die absolute Mehrheit verfehlt.“ Gottschalk hatte der FDP vorgehalten, ihren „Tarif auf Rädern“ bei der vorgeschriebenen Anpassung von Grundfreibetrag und progressivem Einkommensteuertarif an die Preisentwicklung in der Ampel nicht durchgesetzt zu haben. Der Tarif auf Rädern ist auch ein Anliegen der AfD. Damit würde ein Automatismus etabliert, der an die Inflation gekoppelt ist. Eine regelmäßige Entscheidung des Parlaments wäre nicht mehr nötig. Dem Automatismus fehlt nicht nur die Mehrheit in der Ampel, auch eine bei den Bundesländern. Den „frei gewählten Abgeordneten“ Gottschalk warnte Lindner noch vor den Folgen seiner Forderung. Der Parlamentarier sollte „immer kritisch sein, wenn Dinge, die haushaltswirksam sind, sich automatisch vollziehen, ohne dass Sie mitentscheiden“.
Ähnlich erging es Gottschalk mit einer weiteren Frage zur Attraktivität und Verlässlichkeit des Wirtschaftsstandorts. Als Kriterien zählte der AfD-Politiker Strompreise, faire Steuertarife, ein wirtschaftliches Umfeld mit befahrbaren Autobahnen für den Weg zur Arbeit sowie günstige Bedingungen für Mobilität, Stichwort Benzinpreise, auf. Lindner antwortete dem „sehr geehrten Kollegen“ trocken: „Bei Ihrer Aufzählung guter Standortbedingungen für unser Land fehlt vermutlich nicht zufällig die qualifizierte Einwanderung von Fachkräften.“ Auch Gesine Lötzsch, Vizefraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, erntete nur leisen Spott für ihren Vorschlag. Sie wollte das Anliegen des Finanzministers, Investitionen unter der limitierenden Schuldenbremse zu ermöglichen, mit Steuererhöhungen für „Vermögende und Superreiche“ finanzieren. „Sie müssten mir doch eigentlich aus dem Herzen zustimmen, dass es sinnvoll wäre“, sagte Lötzsch. Lindner konterte cool: „In der Finanzpolitik empfiehlt es sich, Entscheidungen nicht mit dem Herzen oder gar aus dem Bauch heraus zu treffen, sondern mit dem Kopf.“