L’Oréals Rolle rückwärts
Kosmetikindustrie
L’Oréals Rolle rückwärts
Von Gesche Wüpper
Es ist eine Entscheidung, die auf den ersten Blick verwundert und Fragen zur Strategie aufwirft. Denn der Einstieg L’Oréals in das Kapital von Galderma gleicht einer Rolle rückwärts. Genau zehn Jahre ist es her, dass sich der Kosmetikriese aus Clichy bei Paris von seiner Beteiligung an dem einst gemeinsam mit Nestlé gegründeten Joint Venture verabschiedet hat. Die Labore seines Konzerns forschten nur zu gesunder Haut, begründete der damalige L’Oréal-Chef und jetzige Verwaltungsratsvorsitzende Jean-Paul Agon den Schritt seinerzeit. Galderma, damals vor allem auf die Behandlung von Hautkrebs und Akne spezialisiert, sei zu weit von dem Universum L’Oréals entfernt.
Agons Nachfolger Nicolas Hieronimus denkt anders. Denn er hat erkannt, dass das zunehmende Alter der Bevölkerung neues Wachstumspotenzial für L’Oréal birgt. Deshalb ist er bereits vor zwei Jahren eine Partnerschaft mit Verily eingegangen, einer Forschungstochter von Alphabet, um die Hautalterung besser zu verstehen. Die Beteiligung und damit einhergehende Partnerschaft mit Galderma ist insofern ein logischer Schritt, da L’Oréal so die gesamte Bandbreite der Erhaltung der Schönheit abdecken kann. Immerhin macht Galderma inzwischen rund die Hälfte ihres Umsatzes mit injizierbaren Schönheitsmitteln wie Faltenfüllern, Skinboostern und Collagen-Stimulatoren. Das Schweizer Unternehmen verbucht dank ihnen bereits seit Jahren zweistellige Wachstumsraten, während L’Oréals Wachstum sich zuletzt abgeschwächt hat, vor allem im nördlichen Asien und im Segment der dermatologischen Kosmetik.
Seit Hieronimus vor drei Jahren das Ruder von L’Oréal übernommen hat, hat er die weltweite Nummer 1 der Kosmetikbranche diversifiziert, um sie auch führend im Bereich Beauty Tech zu machen. Die Rückkehr zu Galderma ist ein weiterer Baustein in dieser Strategie. Insofern ist sie vielleicht auch als eine Art Eingeständnis zu werten, dass das Wachstumspotenzial der herkömmlichen Kosmetik irgendwann an seine Grenzen stoßen könnte. Das könnten jedoch irgendwann auch injizierbare Schönheitsmittel.