Branchenmesse

Luftfahrt­industrie will in Farnborough durchstarten

Die weltweit zweitgrößte Luftfahrtmesse findet zum ersten Mal seit vier Jahren wieder in Farnborough statt. Airbus und Boeing könnten dort einige der größten Aufträge des Jahres einfliegen.

Luftfahrt­industrie will in Farnborough durchstarten

Von Gesche Wüpper, Paris

Die Luftfahrtindustrie bereitet sich auf die erste große europäische Luftfahrtmesse seit Ausbruch der Covid-19-Pandemie vor. Ab dem 18. Juli geben sich Flugzeugbauer, Triebwerkshersteller, Zulieferer sowie Vertreter von Streitkräften und der Airline im britischen Farnborough wieder ein Stelldichein, zum ersten Mal seit 2018. Das weltweit zweitgrößte Branchentreffen findet alle zwei Jahre im Wechsel mit der Luftfahrtmesse von Le Bourget statt. Normalerweise – denn die letzten zwei Ausgaben der beiden Airshows mussten wegen Corona abgesagt werden.

Im Aufwind

Inzwischen befindet sich die Luftfahrtindustrie jedoch wieder im Aufwind. Auf der diesjährigen Farnborough International Airshow (FIA) werden nun fast 1200 Aussteller und 70000 bis 80000 Besucher erwartet. Russische Aussteller sind allerdings wegen des Ukraine-Krieges nicht dabei. FIA-Chef Gareth Rogers geht dennoch davon aus, dass es keinen großartigen Unterschied zu den Messen vor Covid geben wird. Dort haben sich Airbus und Boeing regelmäßig einen Wettkampf geliefert, wer die meisten Bestellungen einfliegen kann. So wurden während der letzten FIA-Ausgabe Aufträge für mehr als 192 Mrd. Dollar unterzeichnet. Allein Airbus und Boeing verkündeten damals Bestellungen und Vorverträge für 962 Flugzeuge im Wert von 160 Mrd. Dollar. Ein Blick auf die Aufträge der beiden Flugzeugbauer seit 2020 zeigt, dass sie Ende 2021 deutlich angestiegen sind. Kein Zufall, denn im November fand in Dubai die erste größere Luftfahrtmesse seit Beginn der Pandemie statt.

Neues Interesse an 737 Max

Entsprechend erwarten Branchenkenner nun, dass die beiden Flugzeugbauer in Farnborough einige der größten Aufträge des Jahres bekannt geben werden. Airbus lieferte bereits einen kleinen Vorgeschmack, denn Air China, China Eastern, China Southern und Shenzhen Airlines bestellten jüngst 292 Mittelstreckenjets der A320-Familie im Wert von mehr als 37 Mrd. Dollar laut Listenpreis. Allerdings sind in der Branche deutliche Preisnachlässe üblich. Der Auftrag gilt als Rückschlag für Boeing und seine 737 Max. Nachdem der Mittelstreckenjet seit März 2019 mit einem Flugverbot belegt war, darf er in China seit Dezember wieder abheben.

In Farnborough könnte Boeing nun neue Aufträge für die 737 Max verkünden. Laut der Fachseite „The Air Current“ könnte Delta Airlines dort bis zu 130 Exemplare der neuesten und größten Version, der 737 Max 10 bei dem US-Konzern bestellen, zusätzlich zu 154 Exemplaren des A321, die die Fluggesellschaft bei Airbus in Auftrag gegeben hat. Allerdings ist die größte neumotorisierte Version des Gegenstücks zum A321 noch immer nicht zertifiziert.

Trotzdem werden mehrere Airlines als potenzielle Kunden für die 737 Max 10 gehandelt. So hat Ryanair Anfang 2020 Interesse bekundet, jedoch bisher noch keinen festen Auftrag gegeben. Die Low-Cost-Airline könnte 100 Stück bestellen. Jet Airways wiederum will für den Neustart nach dem Konkurs dem Vernehmen nach mehr als 100 Mittelstreckenjets bestellen. Airbus gilt laut Bloomberg als Favorit, doch Embraer und Boeing sollen ebenfalls im Rennen sein. Air India könnte demnächst eine Kaufabsichtserklärung für bis zu 50 A350-Langstreckenjets unterzeichnen. Eine Entscheidung von Malaysia Airlines über den Kauf von 20 bis 30 Langstreckenjets wird ebenfalls Mitte bis Ende Juli erwartet.

Die Analysten von Jefferies halten aufgrund der Äußerungen von Airlines kurzfristig Bestellungen von mehr als 790 Flugzeugen im Wert von 117 Mrd. Dollar für möglich, davon 650 Mittelstrecken-, 37 Regional- und 105 Langstreckenjets. Sie schätzen, dass Airbus und Boeing in diesem Jahr zusammen auf 800 Netto-Bestellungen kommen könnten. Vergangenes Jahr waren es 986. Einschließlich Mai kommen beide Flugzeugbauer in diesem Jahr auf bisher auf 362 Netto-Aufträge.

Sowohl Airbus als auch Boeing sind gerade dabei, ihre während der Coronakrise gedrosselte Produktion wieder hochzufahren. So will der europäische Flugzeugbauer die A320-Produktion bis Sommer nächsten Jahres von derzeit rund 50 Exemplaren pro Monat auf 65 steigern. Trotz Warnungen von Zulieferern hat er bereits angekündigt, das Volumen bis 2025 auf 75 steigern zu wollen. Angesichts der starken Nachfrage ist es schwierig, rasche Liefertermine für die beliebten Airbus-Mittelstreckenjets zu erhalten.

Probleme in der Lieferkette

Dazu kommt ein anderes Problem. In der Lieferkette kommt es wegen Rohstoffmangel und Personalengpässen bei Zulieferern zu Problemen, so dass der Flugzeugbauer im Mai 20 Mittelstreckenjets nicht ausliefern konnte, weil die Triebwerke fehlten. Airbus plant in diesem Jahr 720 Auslieferungen. Die Jefferies-Analysten schätzen, dass der Flugzeugbauer im Juni 60 Jets ausgeliefert hat, im bisherigen Jahresverlauf 297. Ihren Angaben zufolge scheinen die Lieferprobleme von Leap-Triebwerken von CFM dazu geführt haben, dass Erstflüge von damit ausgestatteten A320-Jets im Juni auf die Hälfte des Niveaus der Vormonate gesunken sind.

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