Mary Jane kann man nicht nur kiffen
Notiert in Berlin
Mary Jane kann man nicht nur kiffen
Von Angela Wefers
Der freigegebene Konsum von Cannabis hat so manche noch unüberschaubare Folgen. Der Versicherungsverband GDV warnte jüngst vor der unberechenbaren Kombination von Alkohol und Cannabis am Steuer. „Wer gleichzeitig kifft und trinkt, sollte nicht auch noch Auto fahren dürfen“, konstatierte die Assekuranz. Ein Schelm, wer dabei an zu viel Vergnügen auf einmal denkt. Schon geringe Alkoholdosen verstärken demnach aber die Wirkungen von Cannabis und erhöhen die Unfallgefahr.
Vergnügen wird neben Geschäft bei der Hanfmesse „Mary Jane“ am Wochenende in Berlin großgeschrieben. Denn Besuchern und Ausstellern der lebendig sprießenden Cannabis-Branche versprechen die Veranstalter ein vibrierendes Cannabis-Festival mit viel Musik und einen „Wissenshub“ durch abwechslungsreiche Vorträge. „Mary Jane“ – in der englischsprachigen Kiffer-Szene phonetisch angelehnt an Marihuana – hat sich inzwischen zur größten Hanfmesse Europas gemausert. Vom einstigen Liebhabertreff im alternativen Kreuzberg ist die „Mary Jane“ ins etablierte Charlottenburg umgezogen. Auf dem dortigen Berliner Messegelände unter dem Funkturm präsentieren rund 400 Aussteller auf 20.000 qm alles rund um die berauschende Pflanze. Auch die Besucherzahl dürfte sich auf 40.000 Menschen im Vergleich zu 2023 verdoppeln. Zugelassen sind nur Erwachsene. Kinder und Hunde müssen draußen bleiben.
Zum 1. Juli wird auch der Anbau von Cannabis zum privaten Konsum unter Restriktionen für Erwachsenen erlaubt sein. Anbauvereinigungen können dann an den Start gehen. Doch schon heute vermerkt die Branche reißenden Absatz von Produkten rund um den Eigenanbau. Die ganzjährige Anpflanzung verlangt mehr als nur einen grünen Daumen. Bewässerung und Beleuchtung sind etwa entscheidend.
Neben Start-ups sind auch Großunternehmen auf dem Weg, den neuen Markt zu erobern. Noch ist der Sektor klein, wächst aber enorm. Hanf ist neben dem Einsatz als Medikament auch ein wichtiger Rohstoff in der Industrie – etwa anstelle von Plastik und Stahl oder als Dämmstoff in der Automobilherstellung. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hatte im Mai eine Gesetzesänderung angekündigt, die den Sektor beflügeln könnte. Die „Rauschklausel“ soll gestrichen werden, nach der auch bei einem niedrigen Wirkstoffgehalt des Rauschmittels Razzien, Strafen oder gar Betriebsschließungen drohen.
Auch die Berliner Gastronomieszene hat die Freigabe von Cannabis vor neue Fragen gestellt. Darf Cannabis in Kneipen konsumiert werden? Womöglich geht der Barmann durch Passivrauchen am Ende bekifft nach Hause. Viele Gaststätten haben den Konsum vor die Tür verbannt. Aber so mancher Biergarten möchte seine Gäste auf die süßlichen Schwaden komplett verzichten lassen und etabliert eine cannabisfreie Zone. „Bitte kein Konsum von Cannabis-Produkten auf diesem Gelände“, heißt es auf unübersehbar großen Schildern freundlich, aber bestimmt.