KommentarSREP

Mehr Klasse statt Masse

Die EZB-Aufsicht will an Banken eher Hausaufgaben verteilen, als auf Kapitalquoten zu schielen. Aktuell ist davon noch wenig zu spüren.

Mehr Klasse statt Masse

Bankenaufsicht

Mehr Klasse
statt Masse

Von Tobias Fischer

Die EZB will weniger auf Kapitalquoten schielen. Von der guten Absicht ist noch wenig zu spüren.

Weg von der Kapitalquoten-Betrachtung, hin zu Handlungsempfehlungen – so lässt sich der neue Anspruch der EZB-Bankenaufsicht in aller Kürze formulieren. Die hatte sich nämlich im September 2022 auferlegt, ihren aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess (SREP) zu reformieren, mit dem sie Risiken von Banken ermittelt und entsprechend Kapitalaufschläge sowie Hausaufgaben verteilt. Beauftragt wurde eine mit fünf hochrangigen aktiven wie ehemaligen Notenbankern, Aufsehern und Regulierern besetzte Expertengruppe. Deren im April der Öffentlichkeit vorgelegten Bericht, wie der Prozess zu verschlanken ist, hat die EZB vollmundig begrüßt.

Seitdem ging kaum eine Rede des obersten Bankaufsehers Andrea Enria ins Land, in der er sich die zentrale Botschaft der Expertengruppe nicht zu eigen gemacht und SREP als zu kapitalzentriert bezeichnet hätte. Stattdessen solle mehr Wert als bisher auf die sogenannten qualitativen Maßnahmen gelegt werden, also klare Ansagen der Aufsicht, wie und bis wann Banken welche Mängel behoben haben müssen.   

Davon ist im aktuellen SREP-Prozess noch nicht viel zu spüren. Die Kapitalquoten, die angeben, wie viel Prozent der risikogewichteten Aktiva (RWA) Banken an Kapital vorzuhalten haben, sind abermals gestiegen, wenn auch gering. So werden die im nächsten Jahr in Form harten Kernkapitals zu erfüllenden Gesamtanforderungen und Empfehlungen im Schnitt um 0,4 Prozentpunkte auf 11,1% steigen.

Zwar geht nur der geringere Teil davon auf die EZB zurück, nämlich 0,1 Prozentpunkte. Höhere Risikoprofile der Banken oder Kapitalaufschläge etwa wegen notleidender Kredite spielten keine große Rolle, wie die EZB betont. Der Großteil ist darauf zurückzuführen, dass einige Euro-Länder antizyklische Kapitalpuffer einführten oder aufstockten. Dennoch ist der Trend klar, die Quoten steigen leicht. In diesem Jahr liegt der Wert bei 10,7%, 2022 betrug er 10,4%, und 2021 waren es 10,2%.

Kapitalquoten sind geboten, der Zweck, sich gegen Risiken mit Kapitalpuffern zu wappnen, steht außer Frage. Es ergibt aber Sinn, verstärkt das Augenmerk auf klar formulierte und mit Zeitstempel versehene Hausaufgaben zu legen, die Banken abzuarbeiten haben, statt gewohnheitsmäßig die Quoten weiter anzuheben. Mehr Klasse statt Masse also.

Die Kennzahlen der Credit Suisse wie Liquiditäts- und Kapitalpuffer lasen sich noch kurz vor ihrem Untergang formidabel. Gegen den finalen Vertrauensverlust, den über Jahre angehäufte Governance-Probleme verschärften, konnten aber auch sie nichts ausrichten.

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