Mehr Spuren oder weniger Laster?
Notiert in Frankfurt
Mehr Spuren oder weniger Laster?
Von Lutz Knappmann
Die Reflexe funktionieren zuverlässig. Kaum waren die Ergebnisse der Studie in der Welt, herrschte allenthalben Schnappatmung: „Eine Katastrophe für Mensch und Umwelt“, „irrsinnig“, „ein besonders verrücktes Vorhaben“. So lauteten die noch zitierfähigen Reaktionen auf die Ergebnisse einer Machbarkeitsstudie der Autobahn GmbH. Anfang Juni hatte die bundeseigene Gesellschaft ihre Einschätzungen zu einem möglichen Ausbau der notorisch verstopften A5 veröffentlicht. Und die zentrale Botschaft lautete: Der knapp 30 Kilometer lange Streckenabschnitt zwischen dem Frankfurter Kreuz und der Anschlussstelle Friedberg könnte auf zehn Spuren erweitert werden, fünf je Fahrtrichtung. Technisch sei das grundsätzlich möglich, schlussfolgert die Studie und rechnet vor: Ein solcher, in Deutschland bislang einzigartiger Autobahnausbau würde rund 1,1 Mrd. Euro kosten.
Kein Wunder, dass die Emotionen sofort hochkochten, ganz besonders in und um Frankfurt. Kreative Ausbau-Ideen für die überlasteten Straßen rund um die Main-Metropole sind seit Jahren umstritten, nicht nur im Kontext der A5. Deren zehnspuriger Ausbau wäre freilich das bislang extremste Symbol für das Scheitern der viel beschworenen Verkehrswende.
Nicht nur würde die breitere Trasse im Nordwesten der Finanzhauptstadt zahllose Grundstücke und Grünflächen auffressen und die Lärm- und Abgasbelastung der Anrainer dadurch ordentlich steigern. Vor allem wäre die Ertüchtigung der A5 für eine prognostizierte Menge von 200.000 Fahrzeugen pro Tag im Jahr 2030 ein – ohnehin allenfalls temporäres – Mittel gegen ein Symptom. Aber keinesfalls gegen die Ursache. Das Problem ist ja nicht, dass die Straße für die Zahl der Autos und Lastwagen zu klein ist, sondern dass die Zahl der Autos und Lastwagen für die verfügbare Straßenfläche zu groß geworden ist.
Es ist wissenschaftlicher Common Sense, dass zusätzliche Straßen auch zusätzlichen Verkehr erzeugen. Statt auf drei oder vier würde sich der Verkehr nach kurzer Zeit dann eben auf fünf Fahrspuren stauen, wenn es wieder einmal gekracht hat. Und hier liegt ein zentraler Teil des Problems: Nahezu täglich waren in den vergangenen Wochen einzelne Autobahnabschnitte im Rhein-Main-Gebiet nach zum Teil sehr schweren Unfällen gesperrt – im extremsten Fall Anfang Juli gar für 13 Stunden. Insbesondere schwere Unfälle mit Lastkraftwagen zählen zu den besonders häufigen Ursachen für Staus und Sperrungen.
Zusätzliche Fahrspuren würden daran nichts ändern. Sie würden die Frachtbetriebe vielmehr animieren, immer noch mehr betagte Laster mit chronisch übermüdeten Fahrern ins Rennen zu schicken – mit verheerenden Folgen für die Verkehrssicherheit. Nur eine stärkere und konsequentere Verlagerung des Güterverkehrs auf Schiene und Wasser birgt das Potenzial, die Verkalkung der wichtigsten Verkehrsarterien nachhaltig zu lindern.