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Royal Mail und die rätselhafte Sphinx

Daniel Kretinsky will Milliarden für die Royal-Mail-Mutter bezahlen. Wer weiß, was er sich davon verspricht. Aktionäre sollten einschlagen.

Royal Mail und die rätselhafte Sphinx

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Royal Mail und die rätselhafte Sphinx

Von Andreas Hippin

Der Milliardär Daniel Kretinsky ist nicht umsonst auch unter dem Namen die tschechische Sphinx bekannt. Denn meist erschließt sich nicht unmittelbar, warum sich der Investor für die von ihm ausgewählten Übernahmeziele interessiert. Gewiss, bei Thyssenkrupp Stahl lassen sich über die Jahre noch ordentlich Subventionen für „grünen“ Stahl einstreichen. Doch was bindet man sich dafür ans Bein?

Beim neuesten Objekt der Begierde des Firmensammlers stellt sich diese Frage umso vehementer. International Distributions Services, die Muttergesellschaft der Royal Mail, hat noch nicht einmal ansatzweise damit begonnen, dem Rückgang des Briefaufkommens Rechnung zu tragen. Dafür sorgt eine hochgradig gewerkschaftlich organisierte Belegschaft, die sich einfach weigert, die Realität anzuerkennen.

Teure Privilegien

Doch immer mehr Kommunikation findet mittlerweile auf elektronischem Wege statt. Und der eigene Paketdienst Parcelforce wirft nicht genug ab, um die Kosten der von den Mitarbeitern in erbittert ausgetragenen Arbeitskämpfen durchgesetzten Privilegien zu finanzieren. Allein der ebenfalls der Holding gehörende Paketdienst GLS gilt als Ertragsperle.

Damit nicht genug: Royal Mail wird in Großbritannien trotz der schwindenden Bedeutung von Briefen als Teil der kritischen Infrastruktur betrachtet. Das Geschäft ist stark reguliert. „First Class“-Sendungen müssen an sechs Tagen der Woche zugestellt werden. Einen höheren Preis für Sendungen in entlegene Gebiete, schottische Inseln etwa, darf es nicht geben.

Unhaltbarer Status quo

Kretinsky hat versprochen, dass der eigentlich unhaltbare Status quo für fünf Jahre nach Abschluss der Transaktion erhalten bleiben soll. Die Kosten werden also noch lange dem Umsatz entsprechen oder auch etwas darüber liegen. Dass eine Labour-Regierung bei den Zustellpflichten Kompromisse macht, ist kaum zu erwarten. Ein Verkauf von GLS nach fünf Jahren kann das nicht ausgleichen. Einfach rätselhaft, die tschechische Sphinx. Aktionäre sollten nicht zögern, das Angebot anzunehmen. Eine bessere Chance für den Ausstieg wird es vielleicht nicht mehr geben.

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