Komplizierte Beziehungen
Notiert in Berlin
Komplizierte Beziehungen
Von Andreas Heitker
Nur noch sehr selten zeigt sich Angela Merkel mittlerweile im Berliner Regierungsviertel. Manchmal wird die Bundeskanzlerin a.D. noch in eher versteckten Restaurants gesehen, wo sie sich zum Austausch verabredet hat. Oder sie taucht vereinzelt bei früheren politischen Weggefährten auf, wie im Mai etwa bei der Verabschiedung des Grünen Jürgen Trittin. Aber auch bei Veranstaltungen der CDU war sie, die die Partei 18 Jahre lang als Vorsitzende geführt und geprägt hat, lange ferngeblieben. Von daher sorgte der nachträgliche Festakt zu ihrem 70. Geburtstag, zu dem die CDU in dieser Woche in die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften eingeladen hatte, für Schlagzeilen.
Politische Beobachter zählten neunmal ein „liebe Angela“ in der Rede von Friedrich Merz und sprachen schnell von einem „Versöhnungstreffen“. Wer aber die eisigen Blicke von Merkel bei den Schlussworten des heutigen Parteichefs gesehen hat oder auch den regungslosen Ausdruck von Merz bei der Gratulation seiner Dauerrivalin zur Kanzlerkandidatur, dem dürfte schnell klar sein, dass der Beziehungsstatus weiterhin auf „kompliziert“ steht.
Mehrheit findet: Nach Merkel ging's bergab
Die unterschiedliche Wahrnehmung in der Bevölkerung dürfte daran kaum etwas ändern: Laut aktuellem ZDF-„Politbarometer“ halten lediglich knapp ein Drittel der Unions-Anhänger Merz für den am besten geeigneten Kanzlerkandidaten. Fast die Hälfte sähen hingegen wahlweise NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst oder CSU-Chef Markus Söder als einen aussichtsreicheren Frontmann für die Bundestagswahl. Bei Angela Merkel überwiegt dagegen trotz aller Kritik an ihrer früheren Russland- und insbesondere Energiepolitik oder den in ihrer 16-jährigen Kanzlerschaft fehlenden Investitionen in die Infrastruktur des Landes noch immer ein positiver Blick: Im Juli sagten noch über 60% in einer Umfrage, die Verhältnisse in Deutschland hätten sich verschlechtert, seit sie nicht mehr Kanzlerin ist.
Mit Spannung wird nun in der Hauptstadt erwartet, wie die promovierte Physikerin selbst etwas eingehender ihre Amtszeit analysiert. Merkels Memoiren erscheinen am 26. November unter dem Titel „Freiheit“. Rund 700 Seiten sind zusammengekommen. Die Erinnerungen erscheinen laut Verlag in über 30 Ländern.
Eckart Lohse hat ebenfalls ein Buch über die Ex-Kanzlerin geschrieben und es vor wenigen Tagen in einem kleinen Art-Déco-Theater im Berliner Stadtteil Charlottenburg vorgestellt. Lohse ist Leiter der FAZ-Parlamentsredaktion und hat das Wirken Merkels daher über Jahre intensiv begleitet. Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen, der zur Präsentation gekommen war, sagte, das Buch mit dem Titel „Die Täuschung. Angela Merkel und ihre Deutschen“ sei hart. Es sei „kurz vor einer Abrechnung“. Lohse vertritt in seiner ernüchternden Analyse die These, die langjährige Vorsitzende habe ein „Defizit an emotionaler Bindung“ zur CDU. Sie habe die Partei lediglich als Machtvehikel genutzt. Wie gesagt: Die Beziehung bleibt kompliziert.