Aktionärsrechte

Mit Frust in die Hauptversammlung

Daimler macht am 31. März im Dax den Auftakt zur zweiten Runde virtueller Hauptversammlungen. Die Anleger sind sauer, weil Aktionärsrechte im Online-Format eingeschränkt werden.

Mit Frust in die Hauptversammlung

Von Sabine Wadewitz, Frankfurt

Die Investoren blicken den Aktionärstreffen ernüchtert entgegen. Es steht die zweite Runde der mit Corona-Notgesetz ermöglichten rein virtuellen Veranstaltungen bevor. Die Anleger mussten zu ihrem Leidwesen erkennen, dass fast alle Unternehmen das neue Online-Format nutzen, um Aktionärsrechte einzuschränken. Im vergangenen Jahr konnte man das noch wohlwollend auf die Umstellung zurückführen. Doch die zweite Saison kommt nicht überraschend und bot genügend Vorlauf für Anpassungen. Gleichwohl zeigt sich wenig Bereitschaft, das virtuelle Format den bewährten Modalitäten der Präsenzversammlung anzunähern.

Die Frustration der Anteilseigner ist auch deshalb groß, weil sie den Eindruck gewinnen, Aufsichtsräte und Vorstände fänden zunehmend Gefallen daran, über Online-Veranstaltungen für sie unangenehme Elemente der Hauptversammlung auszuschalten und sich nicht mehr leidigen Diskussionen mit ihren Aktionären aussetzen zu müssen.

In dem Szenario ist der Versuch gescheitert, noch vor der Bundestagswahl auf die Schnelle im Huckepack mit einem bereits laufenden Gesetzgebungsverfahren Anpassungen im Aktienrecht auf den Weg zu bringen, um Regelungen für virtuelle Hauptversammlungen ab 2022 festzulegen oder zumindest eine Übergangslösung für 2022 herbeizuführen. Hier ließ sich nach Aussage von Beteiligten kein Konsens herstellen, weil Unternehmen nicht bereit sind, ein den Präsenzveranstaltungen vergleichbares Fragerecht zu garantieren. Diesbezüglich wollen Investoren aber keine Abstriche machen. Ein Zurück zum traditionellen Aktionärstreffen ist gleichwohl unwahrscheinlich, es zeichnet sich ein Trend zu hybriden Formaten ab, die allerdings auch ohne Gesetzesänderung möglich sind.

Kein Nachfragerecht

Der Gesetzgeber hat mit Verlängerung der Pandemie-Notstandsregelungen Ende 2020 in Nuancen nachgebessert und die im Covid-Gesetz für die virtuelle Hauptversammlung vorgesehene „Fragemöglichkeit“ der Aktionäre zum „Fragerecht“ aufgewertet. Den Unternehmen wird aber unverändert eingeräumt, auf Aktionärsfragen während der Veranstaltung zu verzichten und die Anteilseigner zu zwingen, Fragen auf elek­tronischem Wege bis zu einen Tag vor der virtuellen Versammlung schriftlich einzureichen. Eine Nachfrageoption während der Online-Veranstaltung hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen, das zumindest hatten sich viele Anleger als kleinsten gemeinsamen Nenner erhofft.

Die heftige Kritik der Aktionäre veranlasst bislang nur wenige Konzerne, den Investoren entgegenzukommen. Fragen während der Veranstaltung über eine Chat-Funktion lässt keines der Dax-Unternehmen zu, deren HV-Einladungen vorliegen. Bayer, Henkel und Beiersdorf wollen immerhin Nachfragen während der Veranstaltung ermöglichen, außerhalb des Dax schafft Sartorius diese Alternative. Eine größere Zahl an Unternehmen erlaubt Video-/Audiostatements oder schriftliche Stellungnahmen von Aktionären und will diese im Investorportal veröffentlichen und großteils in der Hauptversammlung einspielen. Einige Konzerne wollen Reden ihrer Vorstands- und Aufsichtsratschefs einige Tage vorher veröffentlichen.

Die Zurückhaltung der Firmen könnte weiteren Protest auslösen. So hatten die Belegschaftsaktionäre von Siemens bereits die Tagesordnung ergänzt, um in der Satzung ein Fragerecht in virtuellen Hauptversammlungen zu verankern. Der Vorschlag fand die breite Unterstützung von 58% des vertretenen Kapitals, scheiterte aber an der nötigen Zustimmungsquote von 75% für eine Satzungsänderung. Bei der Deutschen Telekom, die weder Nachfragen noch Statements erlaubt, unternimmt die Aktionärsvereinigung DSW den gleichen Vorstoß. Hier sind die Chancen größer als bei Siemens, weil für die Satzungsänderung ein Votum von mehr als 50% reicht. Wenn dies am 1. April gelingt, dürfte allen Unternehmen klar sein, was die Stunde geschlagen hat.

Die rigide Haltung der Konzerne lässt sich auf die Angst vor einer nicht zu bewältigenden Fragewelle sowie vor Anfechtungsklagen zurückführen. Allerdings müssen Unternehmen auch ausufernde Präsenzversammlungen über Redezeitbegrenzungen steuern. Bei der Deutschen Bank kann man sich kaum noch an Aktionärstreffen erinnern, in denen Wortbeiträge nicht zeitlich limitiert wurden und Redner ein zweites Mal ans Mikrofon treten konnten.

Die Regieanweisungen fallen gelegentlich rigide aus. Henkel lässt „maximal eine Nachfrage“ je vorher eingereichter Frage zu und behält sich vor, die Anzahl der zu beantwortenden Nachfragen „weitergehend zu begrenzen“. Auch Bayer erlaubt sich, einen „zeitlich angemessenen Rahmen“ zu setzen, will aber genauso wie Beiersdorf „gleichwohl versuchen, sämtliche Nachfragen zu beantworten“.

Für Videostatements gibt es in der Regel 3 Minuten Sendezeit, Bayer belässt es bei 2 Minuten, Vonovia orientiert sich am Rundfunk und gewährt 1:30. Henkel bittet für die Videoaufnahme um die Wahl eines „neutralen Hintergrunds“. Stars und Sternchen sind nicht erwünscht:  Vor die Kamera dürfen nur der Aktionär selbst oder sein Bevollmächtigter.

Aktionärsoptionen in der HV-Saison 2021
Unternehmen HV-TerminNachfragen*Statements
Daimler 31. MärzNeinJa
Deutsche Telekom 1. AprilNeinNein
Beiersdorf  1. AprilJaJa
Henkel16. AprilJaJa
Covestro16. AprilNeinNein
Vonovia16. AprilNeinJa
MTU Aero Engines21. AprilNeinNein
Merck23. AprilNeinJa
Bayer27. AprilJaJa
Munich Re28. AprilNeinJa
RWE28. AprilNeinJa
Continental29. AprilNeinJa
BASF29. AprilNeinJa
Allianz 5. MaiNeinNein
Deutsche Post 6. MaiNeinNein
Heidelberg Cement 6. MaiNeinNein
*) während der Online-Hauptversammlung; Quelle: eigene RechercheBörsen-Zeitung