LeitartikelInvestitionsklima

Mit Schirm, Charme und Drohkulisse

Für Peking gilt es in der derzeit angespannten Konjunktursituation die Investoren bei Laune zu halten. Dabei greift man zu zweifelhaften Methoden.

Mit Schirm, Charme und Drohkulisse

China

Mit Schirm, Charme und Drohkulisse

Peking will in arg angespannter Konjunkturlage die Investoren bei der Stange halten. Dabei greift man zu zweifelhaften Methoden.

Von Norbert Hellmann

An den Finanzmärkten sieht man sich einem regelrechten Bombardement von Ankündigungen des chinesischen Staatsapparats ausgesetzt. Sie verheißen eifrige konjunkturelle Anregungsmaßnahmen, mehr staatliche Rückendeckung für die Privatwirtschaft und gar so etwas wie eine Revitalisierung der Kapitalmarktkultur. Der Wirtschaftsplanungsrat NDRC, verschiedene Ministerien und auch die Finanzregulierungsbehörden befinden sich seit Bekanntwerden enttäuschender Daten zu Chinas Wachstumsperformance im zweiten Quartal in einer Art Dauerschleife von neuen Verlautbarungen. Sie sollen zeigen, dass der Regierungsapparat für alle offensichtlichen wie auch nicht öffentlich zugegebenen Schwachstellen die richtigen Abhilfemaßnahmen parat hat und es damit jede Menge Gründe gibt, neues Wirtschaftsvertrauen zu schöpfen.

Angesichts mangelnder „Firepower“ für ein großes Konjunkturpaket versucht es Peking mit einer Strategie des flächendeckenden Beschusses an Klein-Klein-Maßnahmen und einer offensiven Signalsprache. Seit Juli-Mitte ist praktisch kein Tag vergangen, an dem nicht von irgendeiner Regierungswarte Optimismus spendende Botschaften und Aktionspläne verkündet wurden. Daraus soll die schleichende Wahrnehmung entstehen, dass der Staat auch ohne wirklich greifbare fiskalische Impulse dafür sorgt, dass es an der Konjunkturfront nicht weiter reinregnen kann und das Wachstum neu angekurbelt wird. Diese Message will man in der Finanzszene durchsetzen und dabei auch ausländische Investoren weichkochen. Dazu gehört eine für China typische Mischung aus blumigen Charmeoffensiven, die gleichzeitig mit unterschwelligen Drohungen versetzt sind.

Derzeit werden die Marktteilnehmer von den Finanzregulierern mit einem Schwall von Botschaften versorgt, die darauf schließen lassen, dass Regelerleichterungen und Liberalisierungsmaßnahmen anstehen, die das Aktienmarktgeschehen vitalisieren werden. Gleichzeitig sieht man aber auch explizite Einschüchterungsversuche gegenüber Analysten und Finanzmarktbloggern, die mit unangenehmen Konsequenzen zu rechnen haben, wenn sie negative Meinungen zum breiteren Aktienmarkttrend oder einer Sektorentwicklung verbreiten.

Ein Hingucker war hier die höchst bedenkliche staatlich orchestrierte Schimpfkampagne, nachdem Analysten bei Goldman Sachs den Daumen gegenüber führenden chinesischen Bankwerten gesenkt hatten. Für Investmentbanken, die ihre eigenen Geschäfte in China nicht kompromittiert sehen wollen, heißt das dann auf unfreundliche Markteinschätzungen zu verzichten und ihr Vertrauen zur Pekinger Konjunkturbelebungsoffensive zu bekunden. Ob sich mit diesen Methoden das Marktsentiment dauerhaft aufhellen lässt, darf wohl bezweifelt werden.

Ähnlich sieht es mit der Ansprache und Umgarnung von ausländischen Direktinvestoren aus. China legt sich mit Willkommensbotschaften sehr ins Zeug und lässt ausländische Konzernchefs in hohen Ehren empfangen. Sie müssen als Gegenleistung aber freilich bezeugen, dass das Thema „Decoupling“ oder „Derisking“, also eine von geo- und industriepolitischen Konflikten wie auch Wachstumsperspektiven beeinflusste Redimensionierung ihres investiven Auftritts in China, nur Fiktion ist. Peking kündigt nun längst überfällige Visa-Erleichterungen an, die Geschäftsreisende, Akademiker und auch Touristen nach China zurücklocken sollen, nachdem man über drei Jahre hinweg alles getan hat, diese Kontaktschiene zu unterbinden.

Auch hier ist der Erfolg nur bedingt absehbar, weil Chinas sicherheitspolitische Prioritäten mit der Charmeoffensive kollidieren. Bestes Beispiel ist die neue Antispionagegesetzgebung, aus der heraus praktisch gegenüber jedem ausländischen Unternehmen und in China befindlichen Mitarbeitern ein Missbrauchsfall im Umgang mit plötzlich sicherheitspolitisch relevanten Daten konstruiert werden kann. Sowohl Finanzanlegern wie auch Direktinvestoren fällt es immer schwerer, den süßen Worten und Versprechungen realistische Hoffnungswerte zu entnehmen, die ihren aus schlechten Erfahrungen genährten Derisking-Instinkten Paroli bieten können.

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