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Monetäre Chaostage

Chinas jüngste Zinsmaßnahmen sorgen für gewaltige Verwirrung. Man scheint auf fragiler wirkende Banken Rücksicht nehmen zu müssen.

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Monetäre Chaostage

Von Norbert Hellmann

Chinas Zinsmaßnahmen verwirren. Während die Zentralbank sich einen Ruck gibt, wirken die Banken immer vorsichtiger.

Chinas wirtschafts- und geldpolitische Ratschlüsse sind kein Hort von Transparenz. In diesem Sommer, da Peking konjunkturelle Enttäuschungen krampfhaft mit wie auch immer gearteten Stimuli zu parieren versucht, steigert sich die Verwirrung beträchtlich. Kürzlich hat die Zentralbank trotz verschärften Drucks auf den Yuan-Wechselkurs den Leitzins zur Steuerung der Bankenrefinanzierung um 15 Basispunkte auf 2,50% gesenkt. Das galt als Überraschung, die man als Konzession an die ungemütliche Immobilienmarktsituation verstand. Der Zinsschritt wäre damit die Steilvorlage für eine kräftigere Senkung der Loan Prime Rate (LPR) als Zins-Benchmark für Hypothekenkredite.

Wer dachte, dass aus der monetären Lockerung ein Impuls für den Wohnimmobilienmarkt erfolgt, sieht sich nun getäuscht. Am Montag wurde die für Unternehmenskredite maßgebliche LPR geringfügig gesenkt, die Hypokredit-Benchmark zum Verdutzen aller jedoch unverändert bei 4,2% belassen. Wie kann man sich einen Reim darauf machen, dass die eh schon forciert wirkende Zinsgeste der Zentralbank genau dort keine Umsetzung findet, wo sie am notwendigsten erscheint?

Die LPR-Zinsen werden nicht von der Zentralbank selber bestimmt, sondern einmal monatlich von einem Banken-Konsortium austariert. In der Vergangenheit bewegten sich diese Zinssätze jedoch stets im Gleichschritt. Nun scheint es einen Konflikt zu geben. Bei der Zentralbank gibt man sich einen Ruck, bei den ihrerseits staatskontrollierten Banken jedoch nicht. Erklären lässt sich das damit, dass die Zinspolitik verstärkt Rücksicht auf die Ertragssituation der Kreditinstitute und deren bereits stark unter Druck geratene Zinsmargen nehmen muss. Das lässt aufhorchen.

Man weiß, dass der Staat massiv auf die Banken einwirkt, die Kreditvergaben hochzufahren, um zur Konjunkturunterstützung beizutragen. Man weiß auch, dass sie den Immobilienfirmen verstärkt mit Notfinanzierungen beistehen müssen und neue Aufgaben bei der Versorgung von klammen Lokalregierungen mit Langfristkrediten erhalten haben. Was man nicht weiß, ist, welche neuen Risiken daraus entstehen, die mit dünnerer Margendecke verkraftet werden müssen. Fest steht nur, dass Pekings Konjunkturlenkungsmatrix immer verwickelter wirkt und die Ratlosigkeit zunimmt. Zum ersten Mal erlebt man in China, dass eine monetäre Lockerung mehr Ängste als Freude im Markt auslöst, weil man beim besten Willen nicht erkennen kann, was die Urheber genau damit bezwecken.

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