Motivieren statt referieren
Was für ein Unterschied! Gleich in seiner ersten Bilanzpressekonferenz als Vorstandsvorsitzender von Adidas stellt Bjørn Gulden seinen Vorgänger Kasper Rorsted in den Schatten. Der ehemalige Puma-Chef schafft es auch an der neuen Arbeitsstelle, mit Gelassenheit, Humor, bisweilen verblüffender Offenheit und Emotionalität Menschen für sich zu gewinnen. Die Rückkehr in den Adidas-Konzern, für den der Norweger schon von 1992 bis 1999 tätig war, bezeichnet er als ein Nach-Hause-Kommen. Er kann seine Freude nicht verheimlichen. Seine Erklärung für den spektakulären Wechsel zum großen Nachbarn, Konkurrenten und einstigen Erzrivalen klingt einfach: Er wäre der Dümmste der Welt gewesen, wenn er diese Gelegenheit nicht nutzen würde.
Gulden muss mit Adidas allerdings eine ganze Reihe von Schwierigkeiten bewältigen: von den als Folgen der Pandemie in der gesamten Branche hohen Vorräten, die sich nach der gestoppten Kooperation mit dem Designer und Rapper Kanye West für Adidas besonders hoch und möglicherweise kostspielig türmen, bis zur Schwäche im vor Corona sehr profitablen Wachstumsmarkt China.
Das könnte anderen die Begeisterung am Chef-von-Adidas-Sein gründlich verderben. Doch Gulden strahlt Zuversicht aus. Er kann sich auf seine Stärken verlassen: eine enorme Erfahrung in der Sportartikel-, Mode und Einzelhandelsbranche. Und er vertraut der Kraft der Marke Adidas. Zudem gelingt es Gulden, andere zu motivieren und ihre Kreativität zu fördern. Im Management von Adidas ist das Aufatmen nach dem Abgang Rorsteds nicht zu überhören. Der einstige Vorstandschef von Henkel trimmte auch Adidas – zunächst durchaus erfolgreich – auf Rendite und konzentrierte sich auf Zahlen. Von den Produkten war er im Gegensatz zu Gulden zu weit entfernt. Häufig ist es nur eine Floskel, im Fall von Gulden bekommen die Worte eine echte Bedeutung: Er lebt die Marke – Adidas nach dem ersten Eindruck noch mehr als Puma. Rorsted dagegen hatte über die Marke mehr oder weniger nur referiert.
Gulden hat einen klaren Plan, so wie er auch als Chef von Puma von 2013 an ein schlüssiges Konzept verfolgt hatte. Gefragt nach Fehlern von Adidas antwortete er in der Bilanzpressekonferenz mit den Stärken von Puma: Geschwindigkeit und Flexibilität. Schnell entscheiden und rasch auf Modetrends aufspringen sind wesentliche Elemente. Und Gulden will näher an die Konsumenten und die Märkte, um zur richtigen Zeit mit den passenden Produkten da zu sein. Mehr lokales Denken, lautet sein Mantra. Schuhe für China oder Indien, die auch dort entwickelt werden, treffen die Vorlieben viel genauer.