Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles
Als vor einem Vierteljahrhundert die Einführung des Euro-Bargelds geplant wurde, gab es Dutzende praktischer Fragen zu beantworten. Wie müssen Automaten-Aufsteller ihre Maschinen programmieren, damit die Automaten die 2-Euro-Münzen von bestimmten Stückelungen asiatischer Währungen, die nur ein Hundertstel davon wert sind, unterscheiden? Wie stabil müssen die Karosserieboden von Lastkraftwagen ausgerüstet sein, damit die Lkw beim Frontloading der Münzen in die Bankfilialen nicht unter der enormen Last des Bargelds zusammenbrechen? Und wie kann man sicherstellen, dass es nicht irgendwann auf Mallorca Euro-Scheine im Überfluss gibt und in Deutschland Mangel an Papiergeld herrscht – weil deutsche Touristen die Banknoten unabsichtlich in großem Umfang auf die Ferieninsel der Balearen „exportieren“?
Zwischenzeitlich zirkulierte in Fachgremien der europäischen Notenbanken angeblich die Idee, die Banknoten aus Spanien in Militärflugzeugen und Hochsicherheitszügen wieder nach Nordeuropa zurückzutransportieren. Aber der Vorschlag wurde schnell verworfen, hätte man damit doch quasi eine Einladung an Diebesbanden ausgesprochen, einen einzigartigen Coup zu organisieren.
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Auch beim Umzug der Zentrale der Bundesbank von Bockenheim in die Mainzer Landstraße in Frankfurts Stadtmitte hat man selbstverständlich darauf verzichtet, die gewaltigen Werte, die in den Tresoren lagern, durch die halbe Stadt zu karren. Der Goldschatz der Bundesbank ist dort geblieben, wo er war – und liegt nun unter Deutschlands wahrscheinlich bestbewachter Baustelle.
Schon Fausts Gretchen wusste um die Anziehungskraft des gelben Edelmetalls: „Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles.“ Bundesbank-Vorstandsmitglied Johannes Beermann stimmt zu, auch wenn er das etwas nüchterner ausdrückt: „Kaum ein Thema in Zusammenhang mit der Bundesbank stößt auf größeres Interesse in der Öffentlichkeit“ als das Gold, das in Tresoren unter dem alten Bundesbank-Hochhaus, das saniert wird, schlummert. Deshalb hat die Währungsbehörde eine Ausstellung eingerichtet, die man sieben Tage pro Woche besuchen kann: „Schwarz Rot Gold“.
Unter diesem Titel lädt die Bundesbank zu einer Tour, bei der der Besucher durch „Scrollytelling“, also mit Hilfe seiner Computer-Mouse, durch die Sonderausstellung spazieren kann. Dort erfährt er viel über Goldquellen, Goldhandel und Goldreserven. Und natürlich auch über Bretton Woods und das deutsche Wirtschaftswunder. Vor allem eröffnet die virtuelle Sonderausstellung einen Blick in die Tresore.
Beim „Rundgang ins Gold“ kann der Besucher durch die Tresorräume marschieren, sich drehen und wenden und sich die säuberlich gestapelten Barren von oben und unten anschauen. Man mag einwenden, dass die Räume nicht viel anders aussehen als der typische Keller unter der Doppelhaushälfte, wo man Weckgläser und Gemüsedosen sorgsam aufgereiht auf Ikea-Regalen verstaut hält. Das aber würde die voyeuristische Freude daran unterschätzen, zumindest einmal virtuell nur eine Armlänge von einem Vermögen umgeben zu sein, das an Elon Musk oder Bernard Arnault heranreicht.
Wer noch näher ran möchte, der kann ein paar Mouseklicks später einen Goldbarren wie im 3D-Kino beschauen – und ihn drehen und wenden. Aber zugleich dämpft die Bundesbank kriminelle Fantasien, indem sie vorrechnet, dass man die Barren trotzdem nicht einfach in die Tasche stecken kann. Denn schon sechs Würfel Gold, jeweils in der Größe einer Bierkiste, würden in etwa so viel wiegen wie ein ausgewachsener afrikanischer Elefant – satte 6000 Kilo.
Die Ausstellung liefert einen Fingerzeig, warum Gold fabelhaft als Schmuck taugt: Ganz genau, weil es antiallergen ist. Zugleich vermitteln die Rechenbeispiele einen guten Eindruck, wie rar das Edelmetall ist. Nicht allein, weil in 1000 Tonnen Gestein gerade einmal 4 Gramm Gold zu finden sind. Sondern auch, weil alles bislang geschürfte Gold zusammen einem Würfel von lediglich 21 Metern Kantenlänge entspricht – kaum zu glauben.