Nehmen Sie die Abwahl an?
Das kennt jeder: Irgendwer wird gewählt. Und der Gewählte wird anschließend gefragt, ob er die Wahl annimmt – was er in der weit überwiegenden Zahl der Fälle dann ja auch tut. Was am Donnerstagabend im Frankfurter Römer geschehen ist, das verdient das Prädikat ungewöhnlich. Nämlich, dass eine Partei zusammen mit ihren Koalitionspartnern und der größten Oppositionspartei ein Abwahlverfahren gegen den Oberbürgermeister aus den eigenen Reihen einleitet. Und dass das Stadtoberhaupt anschließend die Abwahl nicht annimmt.
Am 6. November wird es daher nun spannend. Rund 500000 Frankfurter sind aufgefordert, in einem Bürgerentscheid dafür oder dagegen zu stimmen, dass der 64-jährige Peter Feldmann Stadtoberhaupt bleibt – oder nicht. Feldmann selbst hatte auf Drängen fast aller politischer Parteien seinen Rückzug für Januar 2023 angeboten. Die Stadtverordnetenversammlung machte mit ihrem jüngsten Votum deutlich, dass sie es nicht Feldmann überlassen will, wann er geht, sondern selbst Herr des Verfahrens bleiben möchte. Feldmann wiederum machte mit der Ablehnung der Abwahl klar, dass er sich dagegen mit Händen und Füßen wehren will.
Daraus ergibt sich fünferlei: Erstens wird Feldmann – sofern er nicht noch binnen einer Woche einlenkt (worauf aber selbst spekulative Zocker nicht wetten würden) –im Oktober als Oberbürgermeister (also quasi mit Amtskette) auf der Anklagebank des Landgerichts Platz nehmen, wenn gegen ihn über den Verdacht der Vorteilsnahme verhandelt wird. Zweitens, dass es am ersten Sonntag im November spannend wird, ob Feldmanns Kritiker mehr als 150000 (also dreimal das ausverkaufte Waldstadion) Frankfurter mobilisieren können, um die erforderliche Marke von 30% der Wahlberechtigten zu erreichen. Erinnerlich: In der Stichwahl 2018, als der Sozialdemokrat sich gegen die CDU-Kandidatin Bernadette Weyland durchsetzte, lag die Wahlbeteiligung bei gerade einmal 30,2% – insgesamt.
Drittens wird sich das Frankfurter Kommunalparlament weitere Wochen, wenn nicht Monate vor allem mit einer Personalie beschäftigen und weniger mit Wohnungsnot, Energiekosten oder Radwegen.
Viertens wird halb Frankfurt nun dreieinhalb Monate darüber streiten, ob es 1,6 Mill. Euro (denn so viel kostet der Bürgerentscheid) wert ist, dass die Frankfurter und nicht Feldmann der Tragikomödie im Römer ein Ende bereiten.
Und fünftens dürfte die Debatte darüber anhalten, was genau den amtierenden OB eigentlich seine Unterstützung in den Parteien und seine Sympathien in der Bevölkerung gekostet hat. Der – nun gerichtlich zu überprüfende – Verdacht unlauterer Bevorzugung seiner Ehefrau? Feldmanns unzählige Selbstdarstellungen auf Litfaßsäulen, seine ellenlangen Reden auf Festveranstaltungen? Seine peinlichen Äußerungen über Frauen, die gar nicht gehen? Oder letztlich doch die Tatsache, dass er in den Festtagen des großen Euroleague-Triumphs den Pokal klaute und Makoto Hasebe mit Makuto Hasabee angesprochen hat?