Moskau

Nicht lachen!

Ein russisches Standesamt untersagt das Lachen während der Trauung – und hebt dies kurz darauf wieder auf. So schnell wurde der Wille des russischen Volkes schon lange nicht mehr berücksichtigt.

Nicht lachen!

In der schönen russischen Tradition der Trinksprüche – gewöhnlich Reden mehr oder weniger tiefen Gehalts – findet sich auch eine, die am Ende in ein Loblied auf das Lachen mündet. Und zwar in ihrer pathetischsten Form „auf das Lachen, das den Tod besiegt“. Daran musste ich dieser Tage denken, als plötzlich die Meldung auftauchte, dass die Leitung des Standesamtes im südrussischen Verwaltungsgebiet Rostow ein Lachverbot während der Eheschließungszeremonie verfügt hat.

Mag sein, dass hier Nordkorea als Vorbild fungiert. Dort war Mitte Dezember eine elftägige Staatstrauer ausgerufen worden, während der Lachen, Alkoholkonsum und Freizeitaktivitäten generell untersagt waren, um so das Gedenken an Kim Jong-il, den am 17. Dezember 2011 verstorbenen Vater des aktuellen Machthabers Kim Jong-un, zu begehen. Jener Diktator Kim Jong-il übrigens, der wegen seiner Flugangst einst fast 10000 Kilometer mit einem gepanzerten Zug durch Sibirien auf Staatsbesuch zu seinem Amtskollegen Wladimir Putin nach Moskau fuhr. So auch sein Sohn Kim Jong-un vor gut zwei Jahren, allerdings mit nur etwa 20 Stunden Fahrzeit von Nordkoreas Hauptstadt Pjöngjang bis ins ostrussische Wladiwostok. In einer Diktatur haben eben nicht nur die Untertanen Angst.

Im russischen Rostow haben die Verantwortlichen am 18. Januar neben dem Lachen auch noch laute Unterhaltungen, Ausrufe, das Trinken von Hochprozentigem und das Verstellen von Möbeln untersagt. Das Verbot wurde allerdings bereits am 22. Januar wieder aufgehoben. Man kann vermuten, dass es ganz einfach nicht administrier- und exekutierbar war. Gut möglich, dass es sogar das Gegenteil bewirkte und die Traugäste inklusive der Brautpaare sich vor Lachen auf dem Boden wälzten. Es sei eben so, dass ein offizielles Lachverbot bekanntermaßen nichts außer Lachen hervorrufen könne, meinte der Publizist Lew Rubinstein dazu. Offiziell wurde der Rückzieher übrigens mit der Rücksichtnahme auf die öffentliche Meinung begründet. So schnell wurde der Wille des russischen Volkes schon lange nicht mehr berücksichtigt.

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Apropos Wille, Würde und Ernst: Von diesen drei Faktoren war zuletzt auch wieder die Frage geprägt, ob denn nun im Jahr 98 nach dem Tod des Gründers der Sowjetunion, Wladimir Lenin, sein einbalsamierter Leichnam doch einmal aus dem Mausoleum vor der Kremlmauer getragen und auf einem Friedhof begraben werden sollte. Allerdings sind nur 45% der Moskauer Bürger einer vorjährigen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Lewada zufolge dafür, 42% dagegen. Warum wir hier auf das Lenin-Mausoleum zu sprechen kommen? Weil am 21. Januar Lenins Todestag war. Und weil da plötzlich ein anderes Thema in Russland zum Gesprächsthema wurde: Nämlich, dass aus den Tagebüchern der behandelnden Ärzte hervorgehe, dass Lenin sich in jungen Jahren beim Geschlechtsverkehr offenbar mit Syphilis angesteckt habe.

Die Newsmaker wollen offenbar ein wenig Wirbel ins kommunistische Lager hineintragen, so die Vermutung der politischen Beobachter. Tatsächlich sind – Ironie der Geschichte – heute die Kommunisten die einzig nennenswerte politische Opposition und haben bei den letzten Wahlen immer wieder dazugewonnen. In der sonstigen politischen Monokultur wird das zumindest als lästig empfunden.

Generell hat der Kreml ausreichend Grund, mit allen möglichen Themen von der rundum schwierigen Lage abzulenken. Da ist die außenpolitische Zuspitzung in der Ukraine, die vom Volk nicht mehr so goutiert wird wie die Krim-Annexion 2014. Dort ist eine wuchtige Inflation, die bei den Gütern des täglichen Bedarfs weit über den offiziellen 8% liegt. Dazu eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums. Und angesichts der Spannungen in der Ukraine eine deutliche Abwertung des Rubel.

Wie schrieb der Publizist Anton Orech dieser Tage in Moskau: „Wenn du nicht weißt, worüber du reden sollst, rede über das Wetter. Und wenn du nicht weißt, worüber du in Sachen Politik reden sollst, rede über Stalin und schlimmstenfalls über Lenin. Da findet man immer einen Anlass.“