Noch ein Rechtsabbieger
Europäische Union
Noch ein Rechtsabbieger
Von Detlef Fechtner
Im Sommer herrschte in Brüssel so etwas wie Erleichterung vor. Bei den Europawahlen hatten zwar die Rechtsaußenkräfte Zugewinne verbucht. Allerdings fiel der Rechtsruck im EU-Parlament weniger dramatisch aus, als es sich zuvor angedeutet hatte. Christ- und Sozialdemokraten konnten ihre Position verteidigen. Und gemeinsam mit Liberalen und Grünen können die beiden großen Parteien weiterhin Mehrheiten organisieren, ohne auf die Stimmen von rechts der Mitte angewiesen zu sein.
Doch längst ist das Thema Rechtsruck wieder in das Zentrum der politischen Debatten zurückgekehrt. Das liegt vor allem am zweiten EU-Gesetzgeber, dem Rat. Immer mehr EU-Länder biegen politisch rechts ab, in immer mehr EU-Staaten werden politische Kräfte rechts der Mitte an Regierungen beteiligt wie in Italien oder der Niederlande. Oder können als erstarkte Opposition auf ihre nationalen Regierungen einen erheblichen Druck ausüben. Sei es in Belgien, in Österreich oder in Frankreich. Oder sei es nun womöglich in Rumänien. Dort hat sich der Rechtsaußenpolitiker Calin Georgescu bei der Präsidentschaftswahl für die Stichwahl in zwei Wochen qualifiziert. Seine Chancen, diese Stichwahl zu gewinnen, sind noch schwer einzuschätzen, zumal Georgescus Wahlerfolg Beobachter und Wahlforscher komplett überrascht hat.
Was ergibt sich aus dem Wahlergebnis in Rumänien für die EU? Na klar, man kann sagen: Nicht so viel. Denn erstens ist Georgescu noch nicht gewählt. Zweitens wird er, wenn er es denn wird, Staatsoberhaupt, nicht Regierungschef. Und drittens geht es um Rumänien, also nicht um eines der Dickschiffe der EU. Aber diese Einschätzung würde die Auswirkung des Wahlausgangs auf die EU unterschätzen. Denn das Ergebnis bedeutet schon jetzt Unterstützung für Ungarns Premier Viktor Orban, der es ja bereits im Alleingang verstanden hat, die EU immer wieder zu blockieren oder in eine Richtung zu treiben. Vor allem: Nach dem Wahlergebnis in Rumänien wird es für die EU noch schwerer werden, sich über eines ihrer zentralen Themen zu verständigen, nämlich die Finanzhilfen für die Ukraine.