KommentarChipkonzern

Nvidia und die andere Seite des KI-Booms

Die Marktteilnehmer überbieten einander mit Lobgesängen auf den Chipkonzern Nvidia, der als großer Profiteur des KI-Trends gilt. Doch der Boom dürfte fragiler sein, als viele Anleger glauben.

Nvidia und die andere Seite des KI-Booms

Nvidia

Kehrseite des KI-Booms

Von Alex Wehnert

Investoren überbieten sich gegenseitig mit Lobgesängen auf den Chipkonzern Nvidia. Dessen Prozessoren bildeten das Herz der KI-Revolution, jubeln die Einen, nachdem das Unternehmen infolge des Booms um künstliche Intelligenz für das laufende Quartal einen Umsatzsprung um 64% prognostizierte. Im Goldrausch gelte es eben, Spitzhacken und Schaufeln zu verkaufen, sinnieren die Anderen auf die Mitteilung des Konzerns hin.

Allerdings könnte das Material für die Produktion von Spitzhacken und Schaufeln schneller knapp werden, als es sich viele Marktteilnehmer ausmalen. Nvidia designt ihre Chips zwar, stellt diese aber nicht selbst her, sondern bezieht sie unter anderem vom weltgrößten Auftragsfertiger Taiwan Semiconductor Manufacturing (TSMC). Wenngleich dieser seine Produktionskapazitäten in den USA ausbaut und mit einer Expansion in Japan sowie der Eröffnung einer Fabrik in Deutschland kokettiert – bis die Herstellung dort reibungslos läuft, kann viel Zeit vergehen. Zugleich ist die Furcht vor einem Angriff Chinas auf Taiwan in den vergangenen Monaten noch einmal erheblich gestiegen.

Eine solche Attacke hätte nicht nur unmittelbare Folgen für die globalen Lieferketten, sondern wohl auch indirekte und langfristige. Schließlich hat sich der Handelskonflikt zwischen den USA und China wieder aufgeheizt. Eine Eskalation in Taiwan dürfte noch härtere Sanktionen aus Washington zur Folge haben, als für die Chipbranche ohnehin gelten. Die resultierenden Lieferkettenverwerfungen treiben Investoren in anderen Branchen bereits seit Längerem um; in Bezug auf Nvidia spielen sie derzeit eine vollkommen untergeordnete Rolle.

Sicher, der Konzern hat sich für die zweite Jahreshälfte nach eigenen Angaben ein „substanziell“ höheres Angebot an Chips gesichert. Dass dies ausreicht, um den stark steigenden Bedarf der Tech-Riesen – insbesondere von Microsoft und Alphabet, die mit Milliardengewinnen aus ihren Kerngeschäften in den Kampf um die KI-Marktführerschaft gezogen sind – zu decken, ist damit aber nicht gesagt.

Doch schon jetzt, da sich der KI-Boom gerade erst auszuzahlen beginnt, ist die Nvidia-Aktie mit einem fast beispiellosen Kursspurt auf ein Rekordhoch geschnellt. Binnen eines Tages hat der Chipkonzern mehr an Marktkapitalisierung hinzugewonnen, als andere Branchenvertreter insgesamt an Börsenwert aufweisen. Nun steuert Nvidia auf die Marke von 1 Bill. Dollar zu. Wie jeder Boom hat auch der KI-Hype um Nvidia eine Kehrseite: Die Stimmung der Investoren ist insgesamt äußerst labil. So könnten Lieferkettenturbulenzen eine umso stärkere Wertvernichtung an den Aktienmärkten zur Folge haben.

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