Olympisches Fernwärmesystem
Über den Beitrag der chinesischen Industrie und Energiewirtschaft zu Global Warming und Klimabilanz ist schon viel geschrieben worden. Jetzt sind anscheinend auch noch die Olympischen Winterspiele in Peking hinzugekommen. Es soll sich nach chinesischer Darstellung um die klimafreundlichsten Winterspiele aller Zeiten gehandelt haben, aber dennoch wurde der Erdball gehörig aufgewärmt: „Beijing 2022 gives the world a warm and healing embrace“, lautet jedenfalls die Überschrift im Leitartikel der Englischausgabe der Parteizeitung „Global Times“. Wer sich heute an einem kalten grauen Montag im Februar unerwartet mollig geborgen und hoffnungsfroh fühlt, darf sich beim Pekinger Fernwärmesystem bedanken.
Mit der typischen straffen und eleganten Syntax chinesischer Presseorgane stellt der Artikel im Einleitungssatz folgende olympische Bilanz auf: „Angefangen mit Frische und Romanze und geendet mit Freude und Lob, haben die Olympischen Winterspiele von Peking – als erstes globales Sportereignis, das in den mehr als zwei Jahren seit Ausbruch der Corona-Pandemie so wie geplant abgehalten werden konnte – den Menschen auf der ganzen Welt inmitten eines kalten pandemischen Winters Wärme und Hoffnung gebracht, und dazu noch eine wertvolle Kraftdosis von Frieden und Einheit in ein turbulentes Weltgeschehen injiziert.“
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Halten wir also fest, dass die Winterspiele aus Sicht der Staatsführung ein voller Erfolg waren. Bestes Barometer dafür ist der Wandel im Mienenspiel von Staatschef Xi Jinping bei der Eröffnungs- und der Schlussfeier. Zum Auftakt sah man ihn auf der Ehrentribüne mit ungewöhnlich düsterer Miene und Spuren von Ermüdung im Gesicht in einer nicht sonderlich vorteilhaft wirkenden schwarzen Skijacke etwas lustlos herumsitzen. Selbst der Mundschutz war schwarz.
Vielleicht hatte Xi Sorge, dass etwas schiefgehen könnte oder der Goldmedaillenregen für China spärlich ausfallen würde. Vielleicht war er auch einfach nur Opfer der vorangegangenen Unterredung mit Ehrengast Wladimir Putin, der seine Gesprächspartner bisweilen schlaucht. Wie dem auch sei, zum Schlussakt am Sonntag wirkte Xi wesentlich gelöster. Die Pekinger Luft blieb smogfrei, die Sportler-Blase weitgehend virusfrei, und im Medaillenspiegel schnitt China hervorragend ab. Prompt sah man Xi hinter einem nunmehr in peppigen Nationalfarben leuchtenden Mundschutz gar ein wenig lächeln.
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Planungsweltmeister China hat nichts dem Zufall überlassen, um seiner Vorstellung für erfolgreiche Olympische Spiele nachzukommen. Einerseits will man wachsende Machtansprüche der aufsteigenden Nation dokumentieren, andererseits das daraus entstandene Image des neuen globalen Grobians durch Beigabe von kulturellem Soft-Power-Charme etwas freundlicher gestalten. Die Doppelmission scheint geglückt. Keiner der Athleten oder Delegationsmitglieder hat sich zu unerwünschten politischen Botschaften oder gar Kritik am Ausrichterland hinreißen lassen. Was wiederum die Unterbringung und Verpflegung der Olympioniken anging, waren die meisten regelrecht hingerissen.
Die Wintersportler wurden im krassen Gegensatz zu den beinharten Pritschen des Olympiadorfs bei den letzten Tokioter Sommerspielen auf anatomisch gerechten Hochleistungsmatratzen gebettet. Sie fühlten sich von zahllosen freiwilligen Helfern rührend umsorgt und tausendfach angelächelt. Und sie bekamen beim Siegerzeremoniell statt der üblichen lahmen Blümchensträuße das zum unwiderstehlichen Kultobjekt aufgestiegene Panda-Maskottchen Bing Dwen Dwen überreicht. Hinzu kommt das grandiose chinesische Essen. Die US-Snowboarderin Tessa Maud hat es auf den Punkt gebracht. Sie ist bei den Medaillen leer ausgegangen, aber hat sich den Bauch so lecker wie nie zuvor vollgeschlagen. Ihr Geschmacksurteil über die Essensauswahl von Gong Bao Chicken, Teigtaschen, Lauchzwiebel-Pfannkuchen bis zur Peking-Ente lautet schlichtweg „insane“. Und das ist im Snowboarder-Slang nun wirklich das größtmögliche Kompliment.