Kommentar China-Konjunktur

Peking liegt auf dünnem Ruhekissen

Chinas Wirtschaft leidet unter Long-Covid-Effekten, für die es selbst bei größerer Stimulierungsbereitschaft keine rasche Abhilfe gibt.

Peking liegt auf dünnem Ruhekissen

China-BIP

Dünnes Ruhekissen

Von Norbert Hellmann

Chinas Wirtschaft leidet unter Long-Covid-Effekten, für die es selbst bei größerer Stimulierungsbereitschaft keine rasche Abhilfe gibt.

Man hat ihn sich wesentlich schwungvoller vorgestellt, den sogenannten Post-Covid-Aufschwung in China. Im zweiten Quartal wuchs die Wirtschaft um 6,3% gegenüber Vorjahr. Was auf dem Papier ansehnlich wirkt, ist wegen des Vergleichs mit einem Quartal, als Chinas Wirtschaft im Zuge harter Lockdown-Maßnahmen praktisch auf der Stelle trat, eine herbe Enttäuschung. Vor wenigen Monaten noch hatten die Analysten bei den Prognosen für das zweite Quartal mindestens eine 8 vor dem Komma auf dem Zettel.

Beim Wachstum im direkten Quartalsvergleich ist man jetzt bei 0,8% gelandet, ein für chinesische Verhältnisse beunruhigend niedriger Wert, der heftigen Schwungverlust anzeigt. Nach dem einigermaßen verheißungsvollen Start ins Jahr 2023 ist die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft im Frühjahr tatsächlich also schwer aus dem Tritt gekommen.

In der ersten Jahreshälfte wurden nun 5,5% Wachstum gegenüber Vorjahr erreicht. Damit liegt man nur noch überraschend knapp über dem offiziellen Wachstumsziel von 5% für das Jahr 2023. Peking hatte mit einer bescheiden wirkenden Wachstumsvorgabe bewusst tiefgestapelt, um keine Erwartungen hinsichtlich größerer Stimulierungsprogramme zu wecken. Freilich war man aber davon ausgegangen, dass man zumindest in der ersten Jahreshälfte mit sehr viel flotterem Wachstum unterwegs sein würde. Das sollte die Selbstheilungskräfte der Wirtschaft nach dem Ausstieg aus Covid-Restriktionen unter Beweis stellen und die Märkte überzeugen. Beides ist nicht gelungen und das von statistischen Basiseffekten gespendete Ruhekissen in Sachen Wachstumszielerfüllung ist schon ziemlich dünn geworden.

Pekings schöne Storyline vom sich selbst verstärkenden konsumgeleiteten Aufschwung nach „optimierter“ Covid-Politik wird von der Realität eingeholt. Einige Ökonomen sprechen bereits vom „Double-Dip-Szenario“. Damit wäre China nach Ausstieg aus Corona-Restriktionen eine nur relativ kurze Aufschwungsphase gegönnt, bevor die aus der Pandemiezeit stammenden Verwerfungen neue Schatten über die Wirtschaft legen. Ein Anzeichen dafür ist der weiterhin zähe Konsum, der ein angeknackstes Wirtschaftsvertrauen der Privaten widerspiegelt. Man sieht es am Verzicht auf große Anschaffungen, verstärktem Sparfleiß und geringer Neigung zu Immobilien- und Wertpapieranlagen. Das ist ein Long-Covid-Effekt, für den es selbst bei größerer Stimulierungsbereitschaft keine rasche Abhilfe gibt.

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