Beteiligungsholding

Porsche SE – ein besonderer Fall im Dax

Die Reform der Dax-Familie brachte einen außergewöhnlichen Fall mit sich: Den Aufstieg eines Unternehmens in den Dax, welches mit einem relativ kleinen Mitarbeiterstamm kaum etwas produziert.

Porsche SE – ein besonderer Fall im Dax

Von Stefan Kroneck, München

Die Deutsche Börse erhebt mit dem um zehn auf 40 Mitglieder erweiterten Dax den Anspruch, die Elite der deutschen Wirtschaft gemessen an der Marktkapitalisierung besser abzubilden. Die Reform des Leitindexes im größten EU-Land nach dem Bilanzskandal um Wirecard brachte einen außergewöhnlichen Fall mit sich: Den Aufstieg eines Unternehmens in den Dax, welches mit einem relativ kleinen Mitarbeiterstamm (35 Personen, ohne die vollkonsolidierte Softwarefirma PTV aus Karlsruhe) kaum etwas produziert und dessen Umsatz in der Regel deutlich geringer ausfällt als das erzielte Ergebnis. Es handelt sich um die Porsche Automobil Holding SE. Das Stuttgarter Unternehmen ist eine familiendominierte Beteiligungsholding, ohne im Kern eine operative Geschäftstätigkeit aufzuweisen. Für die Indexwächter war das aber kein Ausschlusskriterium. Das neue Regelwerk für die Aufnahme in den Leitindex orientiert sich vor allem am Börsenwert. Die Organisations- und Bilanzstruktur sowie das Geschäftsmodell sind dafür irrelevant.

VW dominiert Zahlenwerk

Eine Gesellschaft dieser Art als Blue Chip gab es in der Geschichte des Dax noch nie. Der historische Hintergrund hat es in sich: Die Gründung der Porsche SE vor 14 Jahren fiel in die Zeit, als der Sportwagenbauer und VW einen Machtkampf austrugen, den die Führung von Porsche verlor. Porsche war mit dem Versuch, VW mehrheitlich zu übernehmen, gescheitert. Die Beteiligungsverhältnisse innerhalb dieses komplexen Industriegebildes wurden neu geordnet. VW schluckte den Sportwagenbauer (Porsche AG), der nicht mehr börsennotiert ist. Die damals vom operativen Autogeschäft abgetrennte Porsche SE konnte faktisch den Einstieg bei VW mit dem Verkauf des Sportwagengeschäfts an die Wolfsburger refinanzieren. Die Porsche-Vorstände Wendelin Wiedeking (Vorsitz) und Holger Härter (Finanzen) mussten gehen.

Seit dieser Neuaufstellung ist der wirtschaftliche Erfolg der Holding eng verknüpft mit der Entwicklung von Volkswagen. Denn die Porsche SE hält 53,3% der stimmberechtigten Stammaktien am Wolfsburger Mehrmarkenkonzern. Sie ist damit größter Einzelaktionär. Das entspricht 31,4% des gesamten Kapitals der AG. Infolgedessen dominieren die Erfolgszahlen aus dem VW-Besitz die eigene Bilanz. Die Holding profitiert derzeit von den guten Geschäftszahlen des größten europäischen Autokonzerns. Die Elektrostrategie von VW-Konzernchef Herbert Diess überzeugt die Anleger. In Bezug auf das Ergebnis befindet sich die Porsche SE 2021 auf einem Rekordkurs. Die Porsche-Aktie läuft fast parallel zum VW-Papier.

Personelle Verflechtungen

Das Sagen haben die weit verzweigten Unternehmerfamilien Porsche und Piëch. Diese halten zusammen über 153 Millionen stimmberechtigte Stammaktien. Nur die stimmrechtslosen Vorzugsaktien in gleicher Zahl werden an der Börse gehandelt. Diese bringen derzeit 12,6 Mrd. Euro auf die Waage. Im Dax-Ranking nimmt die Porsche SE damit den vorletzten Platz vor Covestro ein. Zum Vergleich: Volkswagen ist am Markt 115 Mrd. Euro wert.

Die enge aktienrechtliche Verzahnung zwischen Porsche und VW spiegelt sich in der Corporate Governance wider. Das führt im Management dazu, dass Aufgaben auf unterschiedlichen Ebenen in Personalunion erledigt werden. Für die familiendominierte Unternehmensgruppe sind diese personellen Verflechtungen typisch, sie können aber nach außen für Irritationen in Bezug auf eine gute Unternehmensführung sorgen. Der seit 2015 amtierende Vorstandsvorsitzende und Finanzvorstand der Porsche SE, Hans Dieter Pötsch, ist zugleich Aufsichtsratschef der Volkswagen AG. Zuvor war der Österreicher und enge Vertraute der Unternehmerfamilien zeitgleich Finanzvorstand der Holding und des Mehrmarkenkonzerns. Lutz Meschke, seit 2015 Finanzvorstand der Porsche AG, ist seit über einem Jahr Vorstand des Beteiligungsmanagements der Porsche SE. Manfred Döss, Chefjustiziar von VW, ist seit 2016 zugleich Vorstand der Porsche SE für die Bereiche Recht und Compliance. Wolfgang Porsche wiederum, das Oberhaupt der Familien Porsche und Piëch, ist Aufsichtsratschef der SE sowie VW-Aufsichtsratsmitglied.

Hohe Rechtsrisiken

Aufgrund dieser Konstellation fürchten Vorzugsaktionäre erhöhte Rechtsrisiken im Zusammenhang mit den Dieselabgasmanipulationen. Anleger fordern von der SE Schadenersatz in Milliardenhöhe. Sie werfen der Holding vor, den Kapitalmarkt darüber nicht schnell genug informiert zu haben, als die Machenschaften vor sechs Jahren aufflogen. Auf Rechtsrisiken dieser Art weist die Porsche SE in ihrem Geschäftsbericht 2020 hin. In den USA sorgte zuletzt eine Sammelklage gegen die Holding wegen unterstellter Pflichtverletzungen für Aufsehen. Aufgrund dieser Unsicherheit wird die Aktie Analysten zufolge mit einem Kursabschlag gehandelt.

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