Private-Debt-Team gewinnt juristische Schlammschlacht gegen H&A Global Investment
Hagim verliert juristische Schlammschlacht
gegen Private-Debt-Team
Das Arbeitsgericht Frankfurt kassiert die Kündigungen gegen das geschasste Team. Doch das ist nur der Höhepunkt des langen Dramas.
Von Philipp Habdank, Frankfurt
Der Fall hat in der Frankfurter Private-Debt-Szene hohe Wellen geschlagen: Ende 2023 wurde das komplette Corporate-Private-Debt-Team des Vermögensverwalters H&A Global Investment Management (Hagim) um dessen Leiter Richard Kuckelkorn von heute auf morgen vor die Tür gesetzt. Die Art und Weise, wie der Assetmanager der Versicherungsgruppe Frankfurter Leben dabei vorging, hat viele in der Branche überrascht – und wirft Fragen auf. Was war ursächlich für das kompromisslose Vorgehen? Und kann ein Assetmanager einem kompletten Team einfach so kündigen?
Die Geschichte erinnert an die „Lehman-Brother-Momente“ während der Finanzkrise, als plötzlich gekündigte Mitarbeiter unter Security-Aufsicht eine Stunde Zeit hatten, ihre persönlichen Sachen in einen Umzugskarton zu packen, und dann vor die Tür begleitet wurden. Seitdem wird viel darüber spekuliert, was genau die Gründe für die überraschenden Kündigungen gewesen sein mögen. Gerüchte kursieren über mysteriöse Immobilien-Deals, die womöglich schiefgelaufen seien.
Kampf mit harten Bandagen
Das Team äußert sich zu dem Vorfall bislang nicht. Auch ist es bislang bei keinem anderen Kreditfonds und keiner Bank aufgeschlagen. Das hat einen einfachen Grund: Seit rund einem Jahr führen die geschassten Mitarbeiter einen erbitterten Rechtsstreit vor dem Frankfurter Arbeitsgericht gegen ihren alten Arbeitgeber. Ein Kampf mit harten Bandagen, verhärteten Fronten und einem Arbeitsgericht, das den Prozess durch verschobene Gerichtstermine immer wieder verzögert – sich mit seinem Urteil letztendlich aber doch klar auf die Seite des Private-Debt-Teams stellt.
Die Chronologie der Ereignisse, auf denen das Urteil basiert, liest sich abenteuerlich. Das Drama beginnt am 19. Dezember 2023. Kurz vor Weihnachten kündigt Hagim dem kompletten Private-Debt-Team betriebsbedingt. Mit der Begründung, das Neugeschäft werde zum neuen Jahr eingestellt. Rund einen Monat später kündigt der Assetmanager seinem Private-Debt-Teamleiter mit Schreibem vom 24. Januar 2024 ein zweites Mal. Dieses Mal fristlos und außerordentlich. Verbunden mit dem schweren Vorwurf, Kuckelkorn habe sich unerlaubt Zugriff zu vertraulichen Unterlagen verschafft, was dieser bestreitet. Laut Gericht bleibt Hagim dafür bis heute Beweise schuldig.
Hagim und das Immobilienprojekt „Kastenbauerstraße“
Beim Durchsuchen des Private-Debt-Büros am 9. Januar 2024 wollen der Hagim-Geschäftsführer und eine Mitarbeiterin zwei Dokumente gefunden haben, die Kuckelkorn angeblich nicht besitzen dürfe. Dabei handelt es sich laut Gerichtsunterlagen um die Kopie eines DIN-A4-Blatts mit den handschriftlichen Notizen des Hagim-Geschäftsführers zur Strukturierung sowie die Kopie eines internen Cashflow-Modells zur Beurteilung eines Darlehens für ein Bauvorhaben in München.
Details zu dem Projekt werden in der Urteilsbegründung nicht genannt. Doch bei der öffentlichen Gerichtsverhandlung am 11. Dezember 2024 vor dem Frankfurter Arbeitsgericht ist von einem Immobilienprojekt in der „Kastenbauerstraße“ die Rede. Dort steht ein Bürokomplex „K2“ aus dem Jahr 1993, der 2021 von dem Immobilienfonds „Leading Cities Invest“ an Imfarr verkauft wurde, da das Objekt künftig nicht mehr die Nachhaltigkeitsanforderungen erfülle. Imfarr ist ein Entwickler aus Österreich, der im Juli vergangenen Jahres Insolvenz anmelden musste – einer von vielen Projektentwicklern, denen die schlagartige Zinswende im Sommer 2022 sowie die stark gestiegenen Baukosten zu viel wurden.
Streit um zwei Dokumente
Unstrittig ist, dass Kuckelkorn die beiden Dokumente besessen hat. Bei der Verhandlung ging es daher um die Frage, wie er in deren Besitz gekommen ist. Hagim behauptet, Kuckelkorn habe sich unerlaubt Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnisse verschafft. Dieser weist den Vorwurf entschieden zurück und legt vor Gericht ausführlich dar, er habe die die Dokumente am Ende eines Gesprächs mit seinem Chef am 3. November 2023 – also nur wenige Wochen vor den Kündigungen – über ein mögliches Rettungsdarlehen für das Bauprojekt in München erhalten.
Es stellt sich die Frage, warum der Hagim-Geschäftsführer überhaupt mit Kuckelkorn über ein Darlehen für ein Immobilienprojekt gesprochen hat. Schließlich hat Kuckelkorn nicht den Immobilienkreditfonds verantwortet, sondern die Corporate-Private-Debt-Strategie. Die konzentriert sich laut Homepage von Hagim auf „klassisches Direct Lending“, also die erst- und nachrangige Darlehensvergabe an private Unternehmen. Für Immobilienkredite hat Hagim eigentlich eine eigene Strategie.
Hagim bleibt Beweise schuldig
Kuckelkorn sagt, er habe in dem Gespräch erklärt, er müsse die „Werthaltigkeit einer solchen Zusicherung als höchst fragwürdig“ einstufen. Seine vehemente Abwehrhaltung [gegen das Rettungsdarlehen] habe bei seinem Chef zu Verärgerung geführt, sodass dieser „erkennbar frustriert und genervt“ den Raum verlassen habe. Die besagten Dokumente seien im Besprechungsraum zurückgelassen worden, woraufhin Kuckelkorn diese an sich genommen habe. Er habe das Gespräch so interpretiert, dass er sich die Details zur Erstellung einer tiefer gehenden Analyse anschauen solle, heißt es in den Gerichtsunterlagen.
Hagim bestreitet die Aussage und behauptet, dass es in dem Gespräch am 3. November um ein anderes Projekt gegangen sei als um das Münchener, auf das sich die strittigen Unterlagen beziehen. Beide Darlehen stünden in keinem Zusammenhang zueinander. Das Gericht sieht für beide Versionen der Geschichte eine „nachvollziehbare Wahrscheinlichkeit“. Doch während Kuckelkorn seine Version detailliert vorgetragen habe, sei Hagim beweisfällig geblieben.
Gericht zweifelt am Motiv
Für Kuckelkorns Version spreche aus Sicht der Kammer zudem, dass unklar geblieben sei, welchen Mehrwert die Unterlagen für ihn überhaupt gehabt haben sollen. „Es erscheint fernliegend, dass der Kläger [Kuckelkorn] sich für Unterlagen ohne erkennbaren Wert für ihn persönlich solch einer […] Gefahr für den Bestand seines Arbeitsverhältnisses aussetzt“, schreibt das Gericht und zweifelt damit klar das Motiv an: Demnach fehle es für die ausgesprochene Verdachtskündigung bereits an einem dringenden Verdacht. In seinem Urteilsspruch hält das Gericht daher fest, dass die außerordentliche Kündigung nicht wirksam sei.
Auch die betriebsbedingten Kündigungen gegen das gesamte Team hat das Gericht kassiert. Dabei maßt es sich kein Urteil über die unternehmerische Entscheidung der Hagim an, das Neugeschäft einzustellen. Das Gericht hatte aber zu prüfen, ob es zum Zeitpunkt der Kündigungen für das Private-Debt-Team tatsächlich keine Verwendung mehr gegeben hat, wie von Hagim behauptet. Schließlich stellt der Assetmanager zwar das Neugeschäft ein, doch es gibt immer noch ein Bestandsportfolio, das es zu betreuen gilt.
Wie aufwändig ist das Portfoliomanagement?
Hagim behauptet, der Job könne von den verbliebenen beiden Mitarbeitern aus dem Kreditrisikomanagementteam bewerkstelligt werden. Durch den Wegfall des Neugeschäfts hätten diese frei gewordene Kapazitäten von 40 Stunden pro Woche. Kuckelkorn und sein Team hätten zuletzt pro Woche ca. 32 Stunden für die Wahrnehmung der Arbeitsaufgaben der Bestandsverwaltung von getätigten Investitionen aufgewendet, so die Hagim-Darstellung.
Das Private-Debt-Team widerspricht und argumentiert, dass es bei einer durchschnittlichen Auslastung von über 50 Wochenstunden lediglich 20% für Neugeschäft verwendet habe. 80% seien für die Bestandsverwaltung und Überwachung der getätigten Investments aufgewandt worden. Das Gericht entschied zugunsten des Private-Debt-Teams, da Hagim die Entscheidung „nicht hinreichend dargelegt“ habe. Der Assetmanager fasste den wöchentlichen Arbeitsaufwand des Teams zusammen, hätte diesen aber für jeden Mitarbeiter einzeln ausweisen müssen. So habe das Gericht nicht prüfen können, ob der Beschäftigungsbedarf für jeden einzelnen Mitarbeiter weggefallen sei.
Wie geht es weiter?
Das Gericht äußert zudem Zweifel, ob die von Hagim behaupteten organisatorischen Änderungen bei Kündigungsausspruch greifbare Formen angenommen hatten. Vor dem Hintergrund, dass unstreitig unmittelbar vor und nach den betriebsbedingten Kündigungen Investitionskapital für zwei Projekte zur Verfügung gestellt worden sei, sei dies zu bezweifeln, so das Gericht. Hagim habe ein dringendes betriebliches Erfordernis zum Ausspruch der Kündigung nicht hinreichend schlüssig vorgetragen.
Wie geht es weiter? Hagim muss das Private-Debt-Team laut Urteilsspruch bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens in dessen alter Position weiter beschäftigen, für das Jahr 2023 einen Bonus ausbezahlen und zudem ein Zwischenzeugnis ausstellen. Kommt der Vermögensverwalter dem nicht nach, könnte das Team die Vollstreckung des Urteils einfordern und dafür beim Arbeitsgericht ein Zwangsgeld beantragen.
Ob Hagim das Team inzwischen wieder beschäftigt oder das geschasste Team Zwangsgeld beantragt hat, ist derzeit unklar. Das Gericht verweigerte dazu auf Nachfrage die Auskunft. Die Anwälte des Private-Debt-Teams lehnten eine Anfrage zur Stellungnahme gänzlich ab. Kuckelkorn wollte sich ebenfalls nicht äußern.
Gescheiterter Investoren-Deal
Hagim ließ über ihre Anwälte lediglich ausrichten, man habe das Neugeschäft im Geschäftsbereich Private Debt mit Wirkung zum 1. Januar 2024 eingestellt. „Vor diesem Hintergrund hat die Hagim Berufung gegen die klagestattgebenden Urteile des Arbeitsgerichts Frankfurt eingelegt“, heißt es in der Stellungnahme. Darüber hinaus könnten keine weiteren Auskünfte zu den laufenden Verfahren gegeben werden.
Der Prozess geht also weiter. Durch die Berufung könnte er sich um ein weiteres Jahr hinziehen, bis er in zweiter Instanz vor dem Landesarbeitsgericht in Frankfurt landet. Dass beide Parteien doch noch zu einer gütlichen Einigung finden, scheint angesichts der juristischen Schlammschlacht mehr als unwahrscheinlich.
Dabei gab es angeblich durchaus Möglichkeiten, die Sache außergerichtlich und geräuschlos zu beenden. So soll zeitweise ein Private-Equity-Investor aus München Interesse gezeigt haben, das Bestandsportfolio von Hagim zu übernehmen. Doch ein Deal kam bislang nicht zustande.
Die Hagim-Anwälte räumten während der Gerichtsverhandlung kurz vor Weihnachten ein, dass es einen Austausch gegeben habe, man sich aber nicht dazu in der Lage sehe, mit dem Kläger ein Geschäftsmodell zu entwickeln. Letztendlich sei das Angebot wirtschaftlich nicht attraktiv gewesen und von der Versicherung abgelehnt worden.
Ein Urteil mag in dem komplexen Fall gesprochen sein, doch das letzte Wort definitiv noch nicht.