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Private Equity geht mächtig in die Minderheit

Ob BDT Capital bei der Gebäudetechnikfirma Exyte in Stuttgart oder KKR beim Bremer Raumfahrt-Familienkonzern OHB – was früher undenkbar war, geschieht immer öfter: Private Equity geht Minderheitsbeteiligungen ein. Die Corporate Governance und das Ausstiegsszenario können dabei zum Problem werden.

Private Equity geht mächtig in die Minderheit

Private Equity geht häufiger in die Minderheit

Ob BDT Capital bei der Gebäudetechnikfirma Exyte in Stuttgart oder KKR beim Bremer Raumfahrt-Familienkonzern OHB – was früher undenkbar war, geschieht immer öfter: Private Equity geht Minderheitsbeteiligungen ein. Die Corporate Governance und das Ausstiegsszenario können dabei zum Problem werden.

Von Christoph Ruhkamp, Frankfurt

Seit KKR, die Mutter aller Private-Equity-Firmen, im Jahr 1976 von Jerome Kohlberg, Henry Kravis und George Roberts gegründet wurde, ist die Branche für Mehrheitsbeteiligungen an nicht börsennotierten Unternehmen (Buy-outs) bekannt. Mit der starken Fremdfinanzierung ist dies jedoch bei hohen Zinsen schwieriger geworden. Immer öfter setzt Private Equity auf Minderheitsbeteiligungen an Familienunternehmen oder ausgegliederten Konzernteilen. Früher wäre das undenkbar gewesen, weil Finanzinvestoren die volle Kontrolle über ihre Beteiligungen wollten. Jetzt ist oft die Unterbewertung eines abseits der Börse familiengeführten oder börsennotierten Unternehmens durch den Kapitalmarkt das Motiv für den Einstieg. Wenn die Alteigentümer zwar Kapital brauchen, aber nicht die Mehrheit abgeben wollen, dann muss sich Private Equity neuerdings mit der Minderheit begnügen.

In diese Kategorie fiel im März 2023 die signifikante Minderheitsbeteiligung von BDT Capital, der Beteiligungsgesellschaft von „Warren Buffetts Banker“ Byron Trott, an der Stuttgarter Gebäudetechnikfirma Exyte (ehemals M+W Group). Mehrheitseigentümer der Firma, die Halbleiterfabriken plant und baut, blieb die Beteiligungsgesellschaft Stumpf-Gruppe des österreichischen Bauunternehmers Georg Stumpf. Ähnlich gelagert, aber mit einer öffentlichen Kaufofferte für die Aktien verbunden waren der Einstieg von KKR beim Bremer Raumfahrt-Familienkonzern OHB, dem „deutschen SpaceX“, oder die Beteiligung von KKR am Medienkonzern Springer. Der jüngste Deal dieser Art ist die Beteiligung des französischen Finanzinvestors Ardian mit 22% am Londoner Flughafen Heathrow.

Für entscheidend für den Erfolg solcher Minderheitsbeteiligungen hält Christoph Seibt, Partner und M&A-Experte der Kanzlei Freshfields, naturgemäß „die rechtlichen Kernfragen“: „Wie soll der Einstieg schon mit Blick auf den späteren Ausstieg strukturiert werden? Wie werden die Informations-, Kontroll-, Mitentscheidungs- und Vetorechte geregelt? Wie können die Ausstiegspfade bedingungslos gestaltet werden?“

Eine spezielle Kategorie der Investments ist zudem die Beteiligung von Finanzinvestoren an Konzernteilen. Prominente Beispiele waren 2020 die 30%-Beteiligung von Advent an Aareon, der IT-Tochter der börsennotierten Aareal Bank, oder die 2022 vollzogene strategische Minderheitsbeteiligung von KKR am Supply-Chain-Software-Geschäft der Körber-Gruppe. Inzwischen steht Aareon, deren Wert auf 3 Mrd. Euro geschätzt wird, schon wieder zum Verkauf, und Hellman & Friedman sowie TPG und Vista Equity Partners gelten als verbliebene Bieter. Sogar im Rüstungsbereich kommt einiges in Bewegung: Derzeit verhandelt Carlyle über einen Minderheitseinstieg bei der Kriegsschiffsparte Marine Systems des Thyssenkrupp-Konzerns, der bereits 20% an seiner Stahlsparte an den tschechischen Finanzoligarchen Daniel Křetínský abgegeben und dafür grünes Licht vom Kartellamt erhalten hat.

„Minderheitsbeteiligungen können für Private-Equity-Investoren sehr reizvoll sein“, sagt Holger Hofmeister, Partner der Kanzlei Skadden. „Aufgrund der damit für den PE-Investor verbundenen Risiken werden solche Investments aber die Ausnahme bleiben.“ Denn die Minderheitsposition bedeute regelmäßig, dass in zwei Kernbereichen die Entscheidungsgewalt fehle: bei der Governance und für das Exit-Szenario. „Bei der Governance ändern selbst starke Vetorechte nichts daran, dass Entscheidungen nicht durch den Private-Equity-Investor gegen den Willen des Mitgesellschafters durchgesetzt werden können“, warnt Hofmeister. „Sehr komplex wird bei einer Minderheitsbeteiligung auch die für einen Private-Equity-Investor äußert wichtige Exit-Planung.“ Die Ausgestaltung der Rechte, einen Exit auslösen zu dürfen, sei ein wichtiges Element. Das sei in der jeweiligen Gesellschaftervereinbarung zu regeln. Aber selbst bei günstiger Regelung für den Finanzinvestor erhöhe sich im Vergleich zur Mehrheitsbeteiligung die Notwendigkeit zur Mitwirkung des Mitgesellschafters beim Exit deutlich.

Als weiterer Erfolgsfaktor für Private-Equity-Minderheitsbeteiligungen neben der rechtlichen Gestaltung gilt die Kommunikation. Sie ist bei ausgegliederten Einheiten von Börsenunternehmen laut Felix Morlock, Partner bei der Kommunikationsberatung Brunswick, „in der Regel dreigleisig“: „Zum einen wird die weitgehende Eigenständigkeit des Ziel-Geschäftsbereichs betont, zum anderen die Wertaufhellung für das Gesamtunternehmen bei Erhalt der Synergien im bleibenden Konzernverbund“, sagt Morlock. Zudem würden die größeren Wachstumsperspektiven durch die Finanzkraft und das Management-Know-how des Finanzinvestors herausgestellt.

Der dritte Typ der Private-Equity-Minderheitsbeteiligung ist ein Sonderfall: Es geht um eine Beteiligung, mit der gemeinsam mit dem bisherigen (Familien-)Mehrheitsgesellschafter ein Börsengang des Unternehmens vorbereitet werden soll, also eine Pre-IPO-Beteiligung. Ziel ist laut Freshfields-Anwalt Seibt „die Professionalisierung und Internationalisierung interner Strukturen, die Einführung globaler Risikomanagement- und Compliance-Systeme, die Absicherung von Lieferketten trotz Krisen, die Überleitung auf IFRS-Rechnungslegungsstandards und Standards der Nachhaltigkeitsberichterstattung“.

Prominente Beispiele waren 2017 die 20%-Beteiligung von EQT am Prothesenhersteller Ottobock oder 2019 die CVC-Beteiligung am Industriegase-Familienkonzern Messer Industries im Rahmen eines Joint Ventures. Im Fall von Ottobock verabschiedete sich EQT kürzlich entnervt ohne IPO und wurde mit Unterstützung eines Kreditfonds durch Ottobock-Patriarch Hans-Georg Näder wieder herausgekauft. Im Fall von Messer wurde CVC – ebenfalls ohne Exit per IPO – über die Beteiligung des Singapur-Staatsfonds GIC an Messer herausgekauft. Manchmal ist die Minderheitsbeteiligung auch der Ersatz für ein IPO: Anstatt des bisher geplanten IPO verhandelt derzeit der Fernbusbetreiber Flix, zu dessen Haupteigentümern General Atlantic zählt, über einen 30%-Einstieg von EQT für 1 Mrd. Euro. Auch beim Generikakonzern Stada aus dem Portfolio von Bain und Cinven zeichnet sich anstatt des IPO eine Beteiligung durch Interessenten wie Clayton, Dubilier & Rice oder KKR ab.