Notiert in Venedig

Produzieren in der Lagunenstadt

Es gibt kaum noch Unternehmen, die in Venedig selbst produzieren. Eines der wenigen ist Fortuny, dessen edle Stoffe an längst vergangene Zeiten erinnern.

Produzieren in der Lagunenstadt

Notiert in Venedig

Produzieren in der Lagunenstadt

Fortuny gehört zu den wenigen Unternehmen, die noch in der Lagunenstadt produzieren

bl Venedig
Von Gerhard Bläske

Selbst im Hochsommer gibt es stille Ecken in Venedig, in denen die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Die meisten Touristen wälzen sich durch die immer gleichen Gassen, zu den immer gleichen Zielen wie dem Markusplatz oder der Rialto-Brücke. Die im Juni und Juli erprobte Erhebung eines Eintrittsgelds von
fünf Euro pro Tag hatte keine sichtbaren Auswirkungen.

Für die Einwohner ist das Leben in der Lagunenstadt eine Tortur und unerschwinglich teuer. Viele Wohnungen gehören reichen Ausländern oder Mailändern oder sind an Touristen untervermietet. Die Einwohnerzahl ist innerhalb von 50 Jahren von 150.000 auf unter 50.000 gesunken. Der Exodus hält an, selbst wenn viele frühere Bewohner tagsüber zurückkehren, weil sie in der Tourismusbranche arbeiten.

Mit Ausnahme der Glasbläser auf der Insel Murano gibt es kaum Unternehmen, die in der Lagune von Venedig produzieren. Eines davon ist Fortuny. Die kunstvoll verzierten und im Licht changierenden Hausmäntel, Kleider, Kimonos, Schals, Taschen, Tücher, Kissen und Vorhänge aus Seide, Satin, Samt und Brokat, gold- und silberdurchwirkt und mit floralen Motiven, sowie die aufwendigen Lampen werden in zwei Geschäften in der Stadt verkauft. Die Produkte wirken ein bisschen aus der Zeit gefallen. Doch sie vermitteln ein Faszinosum, dem einst auch der französische Schriftsteller Marcel Proust erlag. In seinem Monumentalwerk „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ trägt Albertine, eine der Hauptfiguren, das plissierte Seidensatinkleid Delphos.

50 Beschäftigte hat Fortuny, das auch Filialen in München und Paris hat. Es war Nino Lando, der Fortuny 1984 wieder zum Leben erweckte. Ursprünglich gegründet wurde Fortuny Anfang des 20. Jahrhunderts durch den 1871 in Granada geborenen Modedesigner, Künstler und Innenarchitekten Mariano Fortuny y Madrazo, Sohn eines Künstlers und der Musikerin Cecilia de Madrazo y Garreto.

Er erwarb 1892 den Palazzo Pesaro degli Orfei – heute Palazzo Fortuny – in der Nähe der Rialto-Brücke. Dort richtete er eine Tischlerei, ein Mal- und Foto-Atelier, eine Stoff- und Farbdruckerei sowie eine Schneiderei ein. Auf der Insel Giudecca eröffnete er später eine Seidenstoffdruckerei.

Der Besuch des Palazzo Fortuny, heute ein Museum, fasziniert. Das Innere strahlt vornehme Stille aus. Die im Halbdunkel liegenden Räume mit ihren edlen Möbeln, Bildern, aufwendigen Stoffen, Lampen und Wandgemälden vermitteln das Bild einer untergegangenen Welt.

Die Fortuny-Produkte werden heute in die ganze Welt verkauft. Doch für Fortuny wird es immer schwerer, geeignete Mitarbeiter zu finden, die dann im Unternehmen selbst ausgebildet werden. Sie pendeln überwiegend vom Festland oder den umliegenden Inseln ein.

Die Geschäfte liefen gut, heißt es. Es wird darüber nachgedacht, Geschäfte in Mailand, Rom und London zu eröffnen. Venedig glänzt.

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