LEITARTIKEL

Rating-Exempel

An und für sich ist es ein normaler Vorgang und Ausdruck guten Wirtschaftens. Unternehmen durchforsten in regelmäßigen Abständen ihre Verträge mit Dienstleistern und schauen, ob es günstigere Anbieter gibt. Das geschieht normalerweise fernab der...

Rating-Exempel

An und für sich ist es ein normaler Vorgang und Ausdruck guten Wirtschaftens. Unternehmen durchforsten in regelmäßigen Abständen ihre Verträge mit Dienstleistern und schauen, ob es günstigere Anbieter gibt. Das geschieht normalerweise fernab der Öffentlichkeit. Anders ist es bei sensiblen Themen wie Rating oder Abschlussprüfung. Hier geraten wechselwillige Firmen leicht in den Verdacht, der bisherige Berater habe bilanz- oder finanzpolitische Gestaltungen nicht mehr goutiert und sei deshalb mit einem womöglich willfährigeren Konkurrenten ersetzt worden. Von daher war es mutig, dass Deutsche Post und Heidelberg Cement ein Exempel statuiert und mit Standard & Poor’s einer der beiden führenden Ratingagenturen den Laufpass gegeben haben.Dass nun Fitch geadelt wird, macht deutlich, dass der Kleinste im Dreierbund der Ratingagenturen hierzulande endgültig hoffähig geworden ist. Die amerikanisch-britische Agentur in französischem Besitz wurde bislang in der Regel allenfalls als Drittrating im Kreis der deutschen Blue Chips akzeptiert. Lange Zeit versuchte Fitch, sich unaufgefordert mit kostenlosen Bonitätsurteilen anzudienen. Das Klinkenputzen hat sich gelohnt: Nun hat mit der Deutschen Post erstmals ein Dax-Unternehmen einen Auftrag erteilt und gleichzeitig eine der beiden großen Agenturen vor die Tür gesetzt.Einen Warnschuss hatte es gegeben, somit wurden die Bond-Gläubiger von der Aktion nicht überrascht. Schon vor Monaten hatten elf Dax-Konzerne ihren Unmut über die aus ihrer Sicht zu aggressive Preispolitik von Standard & Poor’s bekundet und der Agentur mit “Herabstufung” gedroht. Heidelberg Cement soll allerdings nicht zu den Absendern gehört haben. Der Baustoffkonzern verweist denn auch anders als der Briefschreiber Deutsche Post nicht auf kommerzielle Gründe, sondern führt interne Überlegungen an, weshalb er nur noch auf Moody’s und Fitch vertrauen will. Im Gegensatz zur Post hatte Heidelberg Cement ein gespaltenes Rating, war also von Standard & Poor’s eine Stufe niedriger eingruppiert als von der Konkurrenz. Zum Abschied bestätigte die verschmähte Agentur das “BB”-Rating, etwas anderes hätte sie auch nicht tun können, ohne sich unglaubwürdig zu machen. Heidelberg Cement ist seit dem Kauf der britischen Hanson 2007 dabei, den Schuldenberg abzubauen und strebt ehrgeizig in den Investment Grade – was sich bei dem Baustoffkonzern durchaus in den Konditionen niederschlagen sollte. Angesichts dieses Szenarios war man in Heidelberg sicher nicht erfreut darüber, dass Standard & Poor’s hier noch nicht den Daumen gehoben hatte. Erstaunlich ist gleichwohl, dass ein in der Spekulationsklasse eingestuftes Unternehmen die Kündigung des Ratings wagt. Für die Deutsche Post, die mit “BBB +/Baa 1” stabil im Investment Grade angesiedelt ist, stellt sich der Schritt weniger revolutionär dar.Der kulturelle Wandel ist da. Die Vorherrschaft der Marktführer ist zwar noch gegeben, aber sie bröckelt. Parallelen finden sich in der Wirtschaftsprüferbranche, die wie die Ratingagenturen in der Aufarbeitung der Finanzkrise am Pranger stehen. Das stärkt die Macht der Kunden aus der Realwirtschaft, die gegenüber der Finanzindustrie zunehmend selbstbewusst reagieren.Externe Ratings werden auch künftig ihre Bedeutung behalten. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass zahlreiche Unternehmen in den vergangenen Jahren erfolgreich den Bondmarkt angezapft haben, ohne sich in das Verfahren zu begeben. Zu berücksichtigen ist hier aber, dass es diverse Schattenratings gibt, die von Firmen unter Verschluss gehalten werden. Immerhin dient vielen ein Bonitätssiegel als Instrument der Selbstdisziplinierung. Im Dax kommen SAP, Adidas, Beiersdorf und Infineon ohne aus, und werden durch diese Abstinenz nicht beeinträchtigt – teilweise stehen dort aber auch keine Finanzierungen an. Der Walldorfer Softwarekonzern hat indes gerade mit einem Euro-Bond und einer US-Privatplatzierung für Furore gesorgt, so dass Finanzchef Werner Brandt bekundete, nach dieser überwältigenden Resonanz sehe er immer noch dringendere Aufgaben, als sich einer zeit- und kostenintensiven Ratingprozedur zu unterziehen. Solche Erfolge sind nicht zu verallgemeinern, denn es sind vor allem Firmen mit prominentem Namen, oft Markenartikler, die sich das leisten können. Es ist dem aktuell günstigen Zinsumfeld mit rekordniedrigen Kupons geschuldet, dass ein Rating vielen Konzernen kaum etwas in den Konditionen bringt. Doch diese Marktphase wird nicht ewig andauern. ——–Von Sabine Wadewitz ——-Auch wenn ein externes Rating für zahlreiche Konzerne im aktuellen Zinsumfeld wenig Vorteile bringt, wird es seine Bedeutung langfristig behalten.