KommentarLuft- und Raumfahrtindustrie

Zeit für realistische Ziele

Airbus hat trotz anhaltender Probleme der Zulieferer ambitionierte Ziele verfolgt. Ganz überraschend kommt ihre Revision deshalb nicht.

Zeit für realistische Ziele

Flugzeugbau

Zeit für realistische Ziele

wü Paris
Von Gesche Wüpper

Es fehlt an allen Ecken und Enden. Airbus mangelt es nicht nur an Flugzeugsitzen und anderen Teilen für die Kabinenausstattung, sondern vor allem an Triebwerken. Die Zulieferer des weltweit größten Flugzeugbauers kommen nicht mehr hinterher. Musste Airbus die Produktion während der Covid-Pandemie um 40% drosseln, so versucht der europäische Luft- und Raumfahrtkonzern seit dem Ende der Coronakrise wieder Gas zu geben, um sein prall gefülltes Auftragsbuch abarbeiten zu können. Die Nachfrage stimmt, doch Triebwerkshersteller, Kabinenausstatter und andere Zulieferer können mit den ehrgeizigen Plänen nicht mithalten. Deshalb musste Airbus jetzt Auslieferungs-, Gewinn- und Produktionsziele revidieren. „Eine böse Überraschung“, urteilten Investoren. Die Aktie brach zeitweise um mehr als 10% ein.

Erst entlassen, jetzt händeringend gesucht

Ganz so überraschend kam die Anpassung der Ziele nicht. Denn die Probleme der Zulieferer sind nicht neu. Viele von ihnen haben während der Pandemie Mitarbeiter entlassen und seitdem Mühe, wieder gut ausgebildetes Fachpersonal zu finden. Zusätzlich plagen einige Zulieferer wie Spirit Aerosystems, bei der Airbus an vier Werken interessiert sein soll, auch noch finanzielle Schwierigkeiten. Die Probleme der Lieferkette haben Airbus bereits 2022 das Auslieferungsziel vermasselt. Genau wie die Pläne, die Produktion des Verkaufsschlagers A320 deutlich zu steigern. Das ursprüngliche Ziel, sie bis Mitte 2023 auf 65 Maschinen pro Monat, bis 2025 sogar auf 75 zu erhöhen, wurden fallen gelassen. Statt 2026, wie zuletzt anvisiert, soll das Ziel nun erst 2027 erreicht werden.

Obwohl die Engpässe der Lieferkette bekannt waren, hat Airbus bis zuletzt auf Besserung gehofft und an ihren – trotz der Revision – ehrgeizigen Plänen festgehalten. Dabei hat so mancher Zulieferer die Produktionsziele der Flugzeugbauer als unrealistisch kritisiert. Airbus muss sich nun den Vorwurf gefallen lassen, ihnen vielleicht nicht genug Gehör geschenkt zu haben. Investoren werden sich deshalb in den nächsten Monaten zu Recht fragen, ob Airbus die Lieferkette mit ihren Vorgaben nicht überstrapaziert. Ambitionierte Ziele sind gut – aber nur, wenn den Partnern dabei nicht zu viel abverlangt wird.

Branchen erholen sich unterschiedlich schnell von der Pandemie

Darüber hinaus hat die Gewinnwarnung noch etwas anderes vor Augen geführt. Zwar ist die Airline-Industrie der Coronakrise längst davongeflogen. Doch die durch Covid verursachten Leiden der Flugzeugbaubranche heilen deutlich langsamer als erhofft. Fluggesellschaften werden weiter lange auf die ersehnten neuen Flugzeuge warten müssen.

Investoren werden sich fragen, ob Airbus die Lieferkette mit ihren Vorgaben nicht überstrapaziert.

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