Madrid

Rechtspopulisten machen sich auch in Katalonien breit

Ein Tapetenwechsel kann oft helfen, um böse Erlebnisse zu verdauen und zu überwinden. Nach dem desaströsen Abschneiden der konservativen Volkspartei (PP) bei den Regionalwahlen in Katalonien am vergangenen Sonntag, wo Spaniens führende Opposition...

Rechtspopulisten machen sich auch in Katalonien breit

Ein Tapetenwechsel kann oft helfen, um böse Erlebnisse zu verdauen und zu überwinden. Nach dem desaströsen Abschneiden der konservativen Volkspartei (PP) bei den Regionalwahlen in Katalonien am vergangenen Sonntag, wo Spaniens führende Opposition nicht einmal 4% der Stimmen erreichte, verkündete deren Vorsitzender Pablo Casado am Dienstag, dass man die langjährige nationale Zentrale auf der Calle Génova im Herzen Madrids verlassen werde. Hinter diesem medienwirksamen Ablenkungsversuch verbirgt sich ein ernster Hintergrund. Casado will einen klaren Schlussstrich unter die von Skandalen geprägte Vergangenheit der Partei ziehen. Er macht für das miserable Ergebnis in Katalonien, der nach Einwohnern zweitgrößten Region des Landes, nicht zuletzt die Korruptionsfälle der PP verantwortlich. Denn in der Woche vor den katalanischen Wahlen begann am Nationalen Gerichtshof in Madrid ein neues Verfahren um das komplexe Netz der schwarzen Kassen, welche die Partei über zwei Jahrzehnte geführt hatte. Dabei geht es unter anderem darum, ob die aufwendige Renovierung der Zentrale auf der Calle Génova vor 15 Jahren mit Schwarzgeld bezahlt wurde. Neben dem langjährigen Schatzmeister Luis Bárcenas, der für eine andere Verzweigung der dunklen Machenschaften rund um die PP bereits hinter Gittern sitzt, sind auch drei Mitarbeiter der Firma, welche die Umbauarbeiten vorgenommen hat, angeklagt. Die Richter gehen nun dem Verdacht und dem Eingeständnis von Bárcenas nach, dass die PP von Unternehmen Spenden unter der Hand im Gegenzug für die Vergabe öffentlicher Aufträge eingesteckt habe, und das über viele Jahre. Der Prozess wird sich bis Ende Mai hinziehen. Für großes Interesse sorgen allein die vorgesehenen Aussagen der ehemaligen konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy und José María Aznar.

Daher erklärte Casado, der im Sommer 2018 den durch einen Misstrauensantrag im Parlament von der Macht gestürzten Rajoy an der Parteispitze beerbt hatte, neben dem Umzug der Zentrale auch, dass man ab sofort keine Fragen mehr zur Vergangenheit unter früheren Vorständen beantworten werde. Für die Ausbeute von drei Abgeordneten im 135 Sitze großen katalanischen Parlament machte Casado die Umfragen, die öffentlichen Medien und die Staatsanwaltschaft verantwortlich.

Die Korruptionsfälle haben es den Konservativen in Katalonien, wo sie noch nie eine Rolle gespielt haben, bestimmt nicht leichter gemacht. Doch gibt es auch andere Gründe dafür, dass die rechtsextreme Vox erstmals ins Parlament von Barcelona einzieht – mit elf Sitzen und fast 8% der Stimmen. Bis zum Sonntag gehörte das von Unabhängigkeitsbestrebungen geprägte Katalonien zu den wenigen weißen Flecken auf der spanischen, gar europäischen Landkarte, wo noch keine Rechtspopulisten auf den Abgeordnetenbänken saßen. Vox hat vor allem in den Arbeitervorstädten von Barcelona und Tarragona gepunktet, aber auch in einigen ländlichen Gemeinden.

Ganz nach dem Leitfaden der Trumps, Le Pens und anderer Rechtspopulisten bediente die Partei die Ängste der Menschen aus mehrheitlich unteren Einkommensklassen. Dabei führte Spaniens Rechte eine Doppelstrategie. Einerseits begegnete man den separatistischen Parteien, die ihre Mehrheit ausbauen konnten, mit einem ungezügelten spanischen Nationalismus. Auf der anderen Seite zog Vox die Karte des Rassismus, indem sie muslimische Migranten und Mitbürger als potenzielle Terroristen darstellte. Beides wurde sogar in Zusammenhang gebracht. Die Separatisten würden eine Islamisierung Kataloniens fördern, hieß es unverfroren im Wahlkampf. Die Staatsanwaltschaft hat nach einer Anzeige der muslimischen Gemeinde Kataloniens Ermittlungen gegen Vox aufgenommen.

Im Vergleich zur hasserfüllten Rhetorik der Rechtsextremen wirkten Casados Konservative wie zahme Lämmer. Der Oppositionsführer wurde nach dem Wahldebakel innerhalb der Partei erneut wegen seines Kuschelkurses mit Vox kritisiert. Dem sozialistischen Ministerpräsidenten Spaniens, Pedro Sánchez, kommt die Krise der PP dagegen recht gelegen, um sich nun ohne größere Störfeuer dem Krisenmanagement widmen zu können.