Restschuld-Versicherung ade
Restschuldpolice
Besser ein Ende mit Schrecken
Von Wolf Brandes
Die Begehrlichkeit der Banken war groß. Zum Teil mehr als die Hälfte der Beiträge wurde einst als Provision kassiert.
Auf kaum ein Finanzprodukt passt das Sprichwort „Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“ als auf die Restschuldversicherung. Seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten steht die Police, die bei einem Ratenkredit im Zweifel einspringen soll, im Mittelpunkt der Kritik von Verbraucherschützern und Aufsicht. Es gibt wohl kaum ein Finanzprodukt, über das mehr geschrieben wurde und das intensiver untersucht wurde als die Restschuldversicherung. Eigentlich eher ein kleines Geschäft, bei dem die Banken zusätzlich zu einem Kredit einen sogenannten Ratenschutz anbieten für den Fall von Krankheit, Arbeitslosigkeit oder Tod.
Starke Anreize zum Abschluss
Wenn da nicht die große Begehrlichkeit der Banken gewesen wäre. Zum Teil mehr als die Hälfte der Versicherungsbeiträge wurden in der Vergangenheit als Provision kassiert. Klar, dass da ein Anreiz bestand, den Kreditvertrag mehr oder weniger geschickt mit einer solchen Versicherung zu koppeln.
Und die Gelegenheit war günstig, denn im Fall eines Kreditgesprächs möchte der Kunde natürlich den Kredit haben und fühlte sich im Zweifel schnell unter Druck gesetzt. Dass man dann unter dem Anschein, ohne solch eine Versicherung gehe es nicht, seine Unterschrift leistet, verwunderte nicht. Daraus jedoch eine gängige Praxis zu machen, war eine der unschönen Seiten der Finanzbranche. Immer wieder haben Verbraucherschützer genau darauf hingewiesen. Immer wieder hat die Stiftung Warentest davor gewarnt, dass im Zweifel nicht gezahlt werde, doch passiert ist jahrelang nichts.
BaFin bestätigt Kritik
Bis der Druck so groß war, dass sich auch die Finanzaufsicht BaFin der Sache angenommen hat und eine umfangreiche Marktuntersuchung erstellte, in der die Missstände weitgehend bestätigt wurden. So hat auch die BaFin ermittelt, dass zeitweise bis zu 70% einer Restschuldversicherung nur für die Provision draufgingen.
Auf politischer Ebene wurde Mitte 2021 von der großen Koalition ein Provisionsdeckel von 2,5% beschlossen. Doch damit war die Sache nicht vom Tisch. Die Ampel-Koalition schrieb sich Ende 2021 in ihren Koalitionsvertrag, dass man das Geschäft von Versicherung und Kredit zeitlich entkoppeln will. Konkret geht es darum, dass zwischen der Unterschrift auf den Kreditvertrag und dem Abschluss der Versicherung mindestens sieben Tage liegen müssen.
Mittlerweile legte die europäische Versicherungsaufsicht EIOPA einen Bericht auf den Tisch, in dem auch sie das Produkt und die Vertriebspraxis mit scharfen Worten anprangerte. Überteuert und zu wenig am Interesse der Kunden orientiert. Die Behörde kündigte an, mit harten Bandagen gegen Missstände vorgehen zu wollen.
Ende des Geschäfts
Etwas überraschend brachte nun über das Zukunftsfinanzierungsgesetz die Ampel das Thema wieder auf den Tisch. Und fasste in Gesetzesform, was man vor zwei Jahren im Koalitionsvertrag aufgeschrieben hatte. Der vergleichsweise junge Provisionsdeckel reichte nicht mehr, eine zeitliche Entkoppelung von Kredit und Versicherung musste her. Das dürfte wohl in vielen Fällen das Ende des Geschäfts sein. Wer sich nicht unter Druck gesetzt fühlt bei einem Kreditvertrag, wird sich trefflich überlegen, ob er die Restschuldversicherung noch braucht, wenn der Berater nach einer Woche anruft und um einen erneuten Termin bittet. So ist es denn aus der Sicht der Branche wohl ein Ende mit Schrecken, aber dem Produkt muss keiner wirklich nachweinen. Für den schlimmsten Fall gibt es die Risikolebensversicherung, und bei Arbeitsunfähigkeit wurde oft eh nicht gezahlt.
Vorbild für die Cooling-off Period genannte Regelung ist das Vorgehen in Großbritannien. Denn dort hatte man das Modell schon vor mehr als zehn Jahren eingeführt, um die Auswüchse der Restschuldpolicen zu stoppen. Für die deutsche Finanzbranche hätte es noch schlimmer kommen können. Das britische Rechtssystem erlaubt es, dass die Banken in den vergangenen Jahren Restschuldversicherungen in Millionenhöhe rückabwickeln und Rückerstattungen in Milliardenhöhe zahlen mussten.