BlickfeldSteuerparadies Italien

Rom lockt reiche Ausländer

Italien lockt Gutverdiener und Vermögende aus dem Ausland mit Niedrigststeuern an. Auch wenn es zuletzt Einschränkungen gegeben hat: Der Umzug ins Steuerparadies Italien kann sich noch immer lohnen.

Rom lockt reiche Ausländer

Italien: Steuerparadies für reiche Zuzügler

Das Bel Paese lockt Gutverdiender, Superreiche und Rentner aus dem Ausland seit vielen Jahren mit sehr vorteilhaften Steuersätzen.

Von Gerhard Bläske, Mailand

Für Fußball-Superstar Cristiano Ronaldo war Italien ein Steuerparadies. Denn dass der Portugiese 2018 von Real Madrid zu Juventus Turin wechselte, hatte kaum sportliche Gründe. Ronaldo profitierte vor allem von einer für ihn enorm vorteilhaften steuerlichen Regelung: Wer neun der vergangenen zehn Jahre außerhalb des Landes gelebt hat und nach Italien zog, zahlte damals pauschal nur 100.000 Euro pro Jahr auf alle im Ausland erzielten Einkünfte. Familienmitglieder bezahlten sogar nur 25.000 Euro pauschal pro Jahr.

Nach Angaben von Wirtschafts- und Finanzminister Giancarlo Giorgetti haben von der „Legge Paperone“, zu Deutsch „Lex Dagobert“, 1136 Personen Gebrauch gemacht. Die daraus resultierenden Steuereinnahmen seit 2018 werden mit 262 Mill. Euro angegeben. Der Minister hat Anfang August überraschend die Pauschalsteuer auf 200.000 Euro angehoben. Doch das ist noch immer attraktiv für Vermögende.

Denn für das Vermögen außerhalb Italiens besteht keine Meldepflicht. Es genügt, den Wohnsitz in Italien anzumelden und sich dort mehr als die Hälfte des Jahres aufzuhalten.

Italien attraktiv für Banker und Unternehmer

Generell wurde Italien in den letzten Jahren ein beliebter Wohnort für Gutverdiener, die aus dem Ausland zuzogen. Kreditinstitute wie Unicredit, Mediobanca, Goldman Sachs, J.P. Morgan Chase und Citigroup haben ihr Personal in Mailand nach dem Brexit aufgestockt und dabei viele Banker aus London angestellt. Und auch Investoren wie Certares, Eisler Capital UK und Andera Partners haben Niederlassungen eröffnet.

Laut Financial Times zogen seit Inkrafttreten diverser Steuererleichterungen für Reiche fast 89.000 Personen aus dem Ausland zumindest vorübergehend nach Italien. 2023 waren es 37.252 Steuerzahler, die davon profitierten, viermal so viele wie 2018. Darunter sind neben Italienern, die einige Jahre im Ausland waren, auch viele Ausländer, die ihren Wohnsitz nach Italien verlagert haben.

Die großzügigen Bestimmungen waren unter bestimmten Bedingungen wie dem Kauf einer Wohnimmobilie sogar verlängerbar. Das hat zu enormen Preissteigerungen auf dem Immobilienmarkt geführt. Die Preise in Mailand stiegen zwischen 2018 und 2023 um 43%, deutlich stärker als im übrigen Italien.

Die Regelungen haben geholfen, qualifizierte Fachkräfte nach Italien zu locken. Genau das wollte die Regierung: Gut ausgebildete Italiener zurückholen und den „Braindrain“ rückgängig machen.

Von Linksregierungen eingeführt

Interessanterweise waren es ausgerechnet diverse Linksregierungen, die bestehende Regeln aus den 2010er Jahren, die etwa für Forscher galten, ausweiteten. Auch nach den jüngsten Einschränkungen sind die Steuervergünstigungen immer noch sehr großzügig.

Und es gibt weitere interessante Regelungen. Bis Ende 2023 galt: Ausländer oder Italiener, die nach einer bestimmten Zeit aus dem Ausland zurückkehrten, zahlten fünf Jahre lang nur auf 30% ihrer Einkünfte Steuern. Statt eines Einkommens von 1 Mill. Euro mussten Zugezogene dann zum Beispiel nur 300.000 Euro versteuern. Wer nach Süditalien ging, zahlte sogar nur auf 10% seines Einkommens Steuern.

Das hat sich nun geändert. Wer jetzt aus dem Ausland nach Italien zieht und die Steuervergünstigungen in Anspruch nehmen will, muss vorher mindestens drei Jahre statt nur zwei außerhalb des Landes wohnhaft gewesen sein. Zugezogene müssen mindestens vier statt bisher zwei Jahre in Italien wohnhaft bleiben, bis sie von den vorteilhaften Steuersätzen profitieren können. Außerdem muss nun auf 50% der Einkünfte statt wie bisher auf 30% Steuern entrichtet werden. Mit minderjährigen Kindern beträgt der Satz 40%. Das ist immer noch wesentlich großzügiger als der Vorschlag des deutschen Wirtschaftsministers Robert Habeck, Fachkräfte aus dem Ausland mit einem begrenzten Steuerrabatt anzulocken.

Verstoß gegen verfassungsrechtliche Prinzipien?

Nach Einschätzung von Siegfried Mayr, Managing Partner der Kanzlei Mayr Fort Frei, sind die italienischen Regelungen „klare Abweichungen vom Prinzip der unbeschränkten Steuerpflicht (Welteinkommensprinzip) und von den verfassungsrechtlichen Prinzipien der progressiven Besteuerung und der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sowie auch vom Gleichheitsgrundsatz.“ Eine echte Diskussion darüber hat es in Italien nie gegeben.

Rom wirbt auch um Rentner. Wer seinen Wohnsitz aus dem Ausland in eine Gemeinde mit weniger als 20.000 Einwohnern in einer süditalienischen Region wie Sizilien, Sardinien, Basilicata, Molise, Apulien, Kalabrien oder Abruzzen verlegt, zahlt seit 2019 pauschal nur 7% auf alle im Ausland erzielten Einkünfte. Einzige Voraussetzung: Die Person muss eine ausländische Rente beziehen und darf in den fünf Vorjahren nicht in Italien wohnhaft gewesen sein. Doch davon haben nach den Statistiken der Steuerbehörden bisher nur 474 Rentner Gebrauch gemacht, vor allem Zuzügler aus Deutschland. Wahrscheinlich waren das frühere Auswanderer, die in die Heimat zurückkehrten.

Kampf gegen Brain Drain

Das von dem renommierten Ökonomen Carlo Cottarelli geleitete Osservatorio sui Conti Pubblici Italiani (OCPI) kommt zum Schluss, dass vor allem die Ausweitung der Maßnahmen 2019 zu einer verstärkten Rück- und Einwanderung von Spitzenverdienern geführt hat. Das ergibt sich aus einer Untersuchung mit dem Titel „Brain Drain: Sind die Steuererleichterungen wirksam?“ von Salvatore Liaci und Giacomo Ricciardi. Kritiker sind jedoch der Meinung, dass viele Betroffene wohl auch ohne diese Steuererleichterungen zurückgekommen wären.

Bei genauerer Betrachtung der Studie ergibt sich zudem ein differenzierteres Bild. So stieg zwar die Zahl der Rückkehrer nach Italien zwischen 2011 und 2020 von 4100 auf 13.700 pro Jahr. Doch die Zahl der Auswanderer ist viel stärker gewachsen – von 7700 auf 31.300. Darunter viele junge Akademiker.

Schlag ins Wasser

Als Schlag ins Wasser erwies sich die Hoffnung der Politik, Forscher und Lehrende nach Italien zu locken. Zwischen 2002 und 2016 vorließen dem Bericht zufolge etwa 11.000 von ihnen Italien. Und trotz der steuerlichen Anreize ging die Zahl der nach Italien kommenden Forscher und Lehrenden zwischen 2017 und 2020 sogar zurück. Die unsichere Jobsituation in Italien, das wenig transparente Universitätssystem und ein geringes Vertrauen in Karriereperspektiven verhinderten häufig die Rückkehr in die Heimat, lautet die Erklärung von Liaci und Ricciardi.

Die Bilanz für Italien fällt also gemischt aus. Aber für manche reiche Ausländer könnte sich der Umzug durchaus lohnen – so wie für Cristiano Ronaldo.

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