Rückkehr der Angst
Europäischer Gasmarkt
Rückkehr der Angst
Von Dieter Kuckelkorn
Nach der europäischen Energiekrise der vergangenen zwei Jahre war am europäischen Markt für Erdgas eigentlich so etwas wie Ruhe und Entspannung eingekehrt. Im Februar hatte der Monatskontrakt am virtuellen niederländischen Übergabepunkt TTF ein Jahrestief von weniger als 23 Euro je Megawattstunde markiert. Dies war ein Niveau, wie es am Markt über mehrere Jahre vor dem Ausbruch der Krise und des Ukraine-Kriegs zu beobachten war.
Ein Preisniveau von wenig mehr als 20 Euro ist aber auch schon wieder Vergangenheit. Inzwischen ist der Gaspreis bis auf fast 34 Euro geklettert, damit auf den höchsten Stand seit dem 5. Januar.
Was man derzeit am europäischen Gasmarkt beobachten kann, ist die Rückkehr der Angst. Bislang war man der Überzeugung gewesen, dass es weltweit LNG-Erdgas im Überfluss gibt und dass die Kriege in der Ukraine und dem Nahen Osten die europäische Erdgasversorgung nicht gefährden. Nun sind sich die Marktteilnehmer aber nicht mehr so sicher. Denn sollten die Auseinandersetzungen zwischen dem Iran und Israel eskalieren, ist der Transport von Erdgas durch die Meeresenge von Hormus gefährdet. Durch diese bewegen sich nach Angaben von Rystad Energy 11,7% des für Europa bestimmten LNG und 24,4% der für Asien bestimmten Lieferungen. Ein Ausfall derartiger Mengen könnte laut Rystad kurzfristig für eine Verzehnfachung des Gaspreises sorgen, weil der Markt vom Angebot her bereits jetzt eng sei. Dafür sorgt eine höhere Nachfrage in Japan, ungewöhnlich niedrige Temperaturen in Nordwest-Europa, der Ausfall von Kapazitäten in den USA und geringere Liefermengen von norwegischem Pipeline-Gas auf dem Weg in die EU.
All dies macht deutlich, dass die Versorgung Europas mit Erdgas nach wie vor prekär ist, eine Vielzahl von Faktoren kann für Ausfälle und höhere Energiepreise sorgen, unter denen die bereits arg gebeutelte europäische und deutsche Industrie leidet.
In diesem Umfeld ist es nicht hilfreich, dass jetzt die EU neue Regeln für den Gasmarkt beschlossen hat. Laut denen dürfen die Regierungen einzelner EU-Länder bestimmte LNG-Importe aus politischen Gründen untersagen – nämlich diejenigen aus Russland, deren Anteil in Europa momentan zunimmt. Das verstärkt die Sorgen, denn in der jüngsten Vergangenheit haben Politiker hinsichtlich der europäischen Energieversorgung aus Sicht der Gaskunden nicht immer verantwortungsbewusst gehandelt.