Im BlickfeldStaatseinnahmen

Russischen Banken droht Übergewinnsteuer

Wer mehr Geld hat, soll mehr Steuern zahlen, meint Wladimir Putin angesichts des Ukraine-Krieges und schlägt damit ein neues Kapitel auf. Gut möglich, dass der Kreml nun vor allem die Banken im Visier hat.

Russischen Banken droht Übergewinnsteuer

Russischen Banken droht Übergewinnsteuer

Wer mehr Geld hat, soll mehr Steuern zahlen, meint Wladimir Putin angesichts des Ukraine-Krieges und schlägt damit ein neues Kapitel auf. Gut möglich, dass der Kreml nun vor allem die Banken im Visier hat.

Von Eduard Steiner, Moskau

Dass angesichts der schwierigen Budgetsituation etwas in der Art kommen könnte, war unter politökonomischen Beobachtern in Russland geahnt worden. Und es kam dann auch. Er schlage vor, „Zugänge zur Modernisierung unseres Fiskalsystems durchzudenken”, schlug Staatspräsident Wladimir Putin in seiner Rede zur Lage der Nation Ende Februar vor – und führte aus: Es gehe um eine „gerechtere Verteilung der Steuerlast in Richtung derer, die höhere persönliche oder unternehmerische Einkünfte haben” – und zwar bis 2030. Nur wenige Stunden später legte Finanzminister Anton Siluanov nach und ließ wissen, dass die Gesetzesinitiativen schon fertig seien und im Laufe des Jahres abgearbeitet würden.

Gewaltige Verteidigungsausgaben

Angesichts der Tatsache, dass die Budgetausgaben für Verteidigung dieses Jahr um satte 60% auf 10,8 Bill. Rubel (109 Mrd. Euro) bzw. 29,4% der gesamten Budgetausgaben steigen, braucht der Staat zusätzliche Einnahmen. Und die wird er sich – soweit bisher aus dem Kreml durchsickerte – eben nicht nur durch einen weiteren Schritt weg von der Flat Tax Richtung progressives Steuersystem, sondern auch durch eine Übergewinnsteuer holen. Zwar wurde eine solche bereits im vergangenen Jahr als einmalige Aktion für jene Unternehmen verfügt, deren durchschnittlicher Vorsteuergewinn in den Jahren 2021 und 2022 über 1 Mrd. Rubel betrug, was dem Staat unter dem Strich über 300 Mrd. Rubel einbrachte. Nun aber wird über eine permanente Lösung nachgedacht.

Geldhäuser verdienten so viel wie noch nie

Betroffen wären über die Jahre viele Konzerne und Branchen. Ganz aktuell freilich ragt insbesondere ein Sektor heraus, der Begehrlichkeiten im Kreml wecken könnte, und zwar die Banken. Nachdem sie im ersten Jahr des Ukraine-Kriegs, 2022, viele Federn hatten lassen müssen, ging das Pendel im vergangenen Jahr nicht nur tief in die Gewinnzone zurück. Die Geldhäuser verdienten plötzlich so viel wie noch nie. Und das trotz der Tatsache, dass sie schon zwei Jahre unter massiven Sanktionen stehen und weitgehend vom internationalen Telekommunikationssystem Swift ausgeschlossen sind.

Das Kreditportfolio ist stark gewachsen. In gewisser Weise ist es eine Überraschung.

Alexander Danilov, Chef für Bankenregulierung der Zentralbank

Wie die Zentralbank schon Ende Januar mitteilte, erzielte der Sektor 2023 den Rekordgewinn von 3,3 Bill. Rubel – mehr als 16-mal so viel wie im ersten Kriegsjahr 2022 und 37,5% mehr als 2021. Neben allen anderen erwähnten Faktoren kamen dem Sektor die temporär starke Rubelabwertung im Sommer und Herbst und die folgende rasante Leitzinserhöhung durch die Zentralbank zugute. „In gewisser Weise ist es eine Überraschung”, meint Alexander Danilov, Chef für Bankenregulierung innerhalb der Zentralbank. „Das Kreditportfolio ist stark gewachsen.” Und die Ausgaben für Rückstellungen, die 2022 auf dem Rekordniveau von 2,47 Bill. Rubel gelegen hatten, seien um 27% zurückgegangen.

Fokussierung auf den Rüstungssektor

Die steile Erholung fand vor dem Hintergrund einer starken Erholung der russischen Wirtschaft statt. Aufgrund der Fokussierung auf den Rüstungssektor stieg das BIP um über 3%, nachdem es im ersten Kriegsjahr 2022 um 2,1% geschrumpft war.

Das ließ denn auch die Kreditnachfrage wachsen. Das Portfolio bei Unternehmenskrediten im gesamten Bankensektor ist 2023 um 20,1% gestiegen. Als Grund für dieses Tempo wird unter anderem die Kreditvergabe zur Übernahme jener westlichen Firmen genannt, die Russland als Reaktion auf den Ukraine-Krieg verließen. Und die Unternehmen ließen sich auch nicht von der Tatsache abhalten, dass die Zentralbank den Leitzins, der Anfang 2023 noch bei 7,5% gestanden hatte, ab Juli bis Dezember sukzessive auf letztlich extrem hohe 16% erhöhte, um der gestiegenen Inflation Herr zu werden.

Glaube an Zentralbank

Offenbar trauen die Unternehmen der Zentralbank diesbezüglich einen Erfolg zu, weil sie zu allem Überfluss auch noch Fixzinssätze meiden. „Fast alle Unternehmen nehmen variable Kredite auf, weil sie an die Fähigkeit der Zentralbank glauben, die Inflation zu besiegen, und mit einer Senkung des Leitzinses rechnen”, erklärte neulich Dmitri Pjanov, Vizechef der landesweit zweitgrößten und – wie die meisten der Top 10 des Sektors – staatlichen Bank VTB, die ihren Gewinn im vergangenen Jahr um ein Drittel auf 432 Mrd. Rubel gesteigert hat.

Fast alle Unternehmen nehmen variable Kredite auf, weil sie an die Fähigkeit der Zentralbank glauben, die Inflation zu besiegen.

Dmitri Pjanov, Vizechef der staatlichen Bank VTB

Aber nicht nur die Unternehmen scheinen unter Ausblendung des Krieges auf den Weg eines normalen Wirtschaftens zurückgekehrt zu sein. Auch die Bevölkerung konsumiert wieder eifrig – und sei es nur, indem sie „ihre Sorgen hinunterisst und -trinkt”, wie Natalja Subarewitsch, Ökonomin an der Moskauer Staatlichen Universität (MGU), neulich im Gespräch mit der Börsen-Zeitung sagte. Reicht das Geld nicht aus, wird auf Kredite zurückgegriffen. Allen voran im Immobiliensektor.

Laut Zentralbank sprang das Hypothekenkreditportfolio im vergangenen Jahr um 34,5% auf 18,2 Bill. Rubel hoch. Das lag in erster Linie am Staat, der die Hypothekarkredite großzügig subventionierte. „Vor dem Hintergrund der Rubelabwertung und der hohen Inflationserwartungen griffen die Leute mit ihrem Geld gern zu Immobilien”, so die Zentralbank. Und sie sparten gemessen an den Einlagen wieder um 20% mehr.

Sberbank profitiert

Das alles kommt vor allem der größten russischen Bank, Sberbank, zugute, bei der der Großteil der russischen Bevölkerung seine Bankgeschäfte abwickelt und allein das Retailkreditvolumen um 29% auf 15,5 Bill. Rubel stieg. Das gesamte Kreditportfolio legte um 27% auf 39,4 Bill. Rubel zu. Der Gewinn erreichte 2023 den Rekordwert von 1,5 Bill. Rubel – mehr als eine Verfünffachung gegenüber 2022.

Die Sberbank war auch bei der Freigabe von im Ausland eingefrorenen Vermögenswerten extrem erfolgreich. Die Nettozinseinnahmen betrugen 2,33 Bill. Rubel. Das entsprach denn auch den Erwartungen der Regierung, die in ihrer Budgetplanung für 2024 eine Sberbank-Dividende von 375 Mrd. Rubel veranschlagt hat.

Ob sich der Staat nun mit einer möglichen permanenten Übergewinnsteuer tatsächlich noch mehr vom Gesamtkuchen aus dem Bankensektor holen wird, steht freilich noch nicht fest. Im ersten Kriegsjahr hat er, ohne lange zu fackeln, den Gaskonzern Gazprom geschröpft und zusätzlich 1,2 Bill. Rubel an Gasfördersteuer erhoben.

Ich habe aus irgendeinem Grund so ein Gefühl, dass die Banken 2024 mehr werden zahlen müssen.

Natalja Subarewitsch, Ökonomin

„Ich habe aus irgendeinem Grund so ein Gefühl, dass die Banken 2024 mehr werden zahlen müssen”, meinte Subarewitsch im Gespräch. „Sie werden sich einigen, wie man so schön sagt. Nur wie sie sich einigen werden, weiß ich nicht.”

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