Energieversorgung

Russland­freundlich enteignet

Heute beschließt der Bundestag das Energiesicherungsgesetz. Es ermöglicht eine Enteignung der Gazprom Germania und der Rosneft-Ölraffinerie PCK.

Russland­freundlich enteignet

Erstmals seit Beginn des Kriegs kommt der Gasfluss aus Russland über die Ukraine ins Stocken. Das macht die Frage umso dringlicher, wie die Bundesregierung mit russischen Energie-Assets in Deutschland umgeht, die für die Versorgung wichtig sind. Da ist zum einen Gazprom Germania, die deutsche Tochter des russischen Staatskonzerns mit dem Gashändler Wingas, dem Netzbetreiber Gascade und der Speicherfirma Astora, die Europas größten Gasspeicher in Rehden be­treibt. Zum anderen geht es um die deutsche Rosneft-Raffinerie PCK in Schwedt, die 10 % des Kraftstoffbedarfs hierzulande deckt. Beide sind zentral für die Versorgungssicherheit in Deutschland.

Ob Enteignung der richtige Weg wäre, um die Anlagen dieser Unternehmen und ihren Weiterbetrieb zu sichern, ist nicht einfach damit beantwortet, dass doch Russland der Gegner im Krieg sei und jedes Mittel, das ihm schadet, recht sein müsse. Gazprom Germania drohte bereits die Insolvenz, weil den finanzierenden Banken nicht klar war, ob es sich um ein sanktioniertes Unternehmen handelt. Deshalb stellte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die deutsche Gazprom-Tochter unter die bis zum 30. September befristete Treuhandschaft der Bundesnetzagentur – nicht etwa, weil damit Russland gestraft werden sollte, sondern um die Energiegeschäfte am Laufen zu halten. Als rechtliche Basis dafür musste die Außenwirtschaftsverordnung herhalten, gegen deren Meldepflichten Gazprom bei der Übertragung des Eigentums an Gazprom Germania auf einen obskuren Moskauer Autohändler verstoßen habe.

Eine bessere rechtliche Grundlage für eine dauerhafte Treuhänderschaft der Bundesnetzagentur könnte nun die Novelle des Energiesicherungsgesetzes von 1975 liefern. So soll, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, neben der Möglichkeit einer Treuhandverwaltung als Ultima Ratio auch die Möglichkeit einer Enteignung geschaffen werden. Im Entwurf ist auch die Möglichkeit für Preisanpassungen bei verminderten Gasimporten und großen Preissprüngen vorgesehen. Im Gesetzestext heißt es dazu, alle Versorger „entlang der Lieferkette“ hätten nach Ausrufung der Gas-Alarm- oder Notfallstufe das Recht, ihre Gaspreise gegenüber ihren Kunden auf ein „angemessenes“ Niveau anzupassen. Zudem sollen in Krisensituationen Energiesparmaßnahmen angeordnet werden können für den Fall der unmittelbaren Gefährdung oder Störung der Energieversorgung, um die Deckung des lebenswichtigen Bedarfs an Energie zu sichern. Die Änderung des Energiesicherungsgesetzes soll am heutigen Donnerstag (12. Mai) im Bundestag abschließend beraten werden.

Noch schwieriger gestaltet sich die Enteignung im Fall der Raffinerie PCK in Schwedt, weil hier der britische Ölkonzern Shell eine Minderheitsbeteiligung hält. Sobald das Ölembargo wirkt und kein russisches Öl mehr kommt, hätte Rosneft voraussichtlich kein Interesse mehr, Öl von anderswo in Schwedt zu raffinieren. FDP-Fraktionschef Christian Dürr zieht deshalb bereits eine Treuhandverwaltung oder Enteignung in Erwägung.

Doch die Anforderungen dafür sind hoch. Mit Blick auf die PCK-Raffinerie müsste nachgewiesen werden, dass eine Treuhandverwaltung die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit und das Funktionieren des Ge­meinwesens nicht sicherstellen kann. Nach dem Gesetzentwurf erfolgt die Enteignung im Wege der Rechtsverordnung des Bundeswirtschaftsministeriums. Dabei ist in der Verordnung auch die Entschädigung für die Enteignung näher zu regeln. Eine Entschädigung verlangen kann aber nur, wer sich auf das Eigentumsgrundrecht in Artikel 14 Grundgesetz berufen kann. Mit Blick auf Entschädigungszahlungen infolge einer Enteignung der Anteile von Rosneft an der Raffinerie in Schwedt wirft dies die Frage auf, welches Unternehmen anspruchsberechtigt wäre. Dabei wird es auch relevant sein, ob und inwieweit hinter dem Ölkonzern Rosneft der russische Staat als Mehrheitseigner der Anteile steht. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts können sich sogenannte gemischtwirtschaftliche Unternehmen nicht auf die Grundrechte berufen, sofern der Staat mehr als 50 % der Anteile hält.

Gesetze sind biegsam, und man kann sie novellieren. Am Ende wird dann wohl entscheidend sein, welche Lösung Deutschlands Energieversorgung am besten sichert. Doch genau darüber herrscht Unsicherheit, weil bei jedem Schritt abermals unklar ist, ob der Kriegsgegner und gleichzeitig wichtigste Energieversorger Russland darauf mit Eskalation reagiert. 

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