LEITARTIKEL

Schlachtfeld Europa

Die global operierenden Telekomausrüster sind im Umgang mit industrieller "Standortpolitik" in Ost und West durchaus sturmerprobt. Für ZTE und Huawei war das Geschäft mit US-Telekomunternehmen schon nahezu zum Erliegen gekommen, als die...

Schlachtfeld Europa

Die global operierenden Telekomausrüster sind im Umgang mit industrieller “Standortpolitik” in Ost und West durchaus sturmerprobt. Für ZTE und Huawei war das Geschäft mit US-Telekomunternehmen schon nahezu zum Erliegen gekommen, als die Sicherheitsbehörden 2010 “Hintertüren” in der Netztechnik der Chinesen entdeckten, die zumindest theoretisch geeignet erschienen, als Spionagewege zu dienen. Seither waren die beiden chinesischen Ausrüster von Aufträgen für kritische Telekommunikationsinfrastruktur in den USA endgültig ausgeschlossen – ein Umstand, der der Konkurrenz sehr zupasskam. Die damals in Nordamerika noch mit einem gewissen Heimvorteil ausgestattete Alcatel-Lucent, Ericsson und als Schlusslicht Nokia teilten sich im Wesentlichen den lukrativen Markt. Daher war es in Grenzen zu verschmerzen, wenn China – ohne irgendwelche Sicherheitsbedenken zu äußern – dafür Sorge trug, dass Giganten wie China Telecom oder China Unicom in aller Regel mehr als die Hälfte ihrer Netztechnikaufträge an Huawei und ZTE vergaben.Europa ist traditionell das Schlachtfeld der oligopolistisch konzentrierten Branche. Denn auch wenn die EU ihren politischen Wirkungsbereich sukzessive ausgedehnt und in vielen Bereichen ein Gemeinschaftsmandat erhalten hat, sind die europäischen Staaten von einer gemeinsamen Orientierung wirtschaftlicher Standortpolitik weit entfernt. Gewichtige Mitgliedstaaten wie Deutschland oder – noch – Großbritannien haben sich dezidiert für eine wettbewerbsorientierte Freihandelsordnung starkgemacht, ein Umstand, von dem innovative Global Player aus Ost und West profitiert haben, darunter ganz speziell die beiden großen Telekomausrüster aus China. Anfangs im Kopf-an-Kopf-Rennen mit ZTE hat Huawei den börsennotierten Wettbewerber bald abgehängt und mit einem sehr ehrgeizigen Wachstumskurs den weltweiten Marktführer Ericsson vom Thron (und in die Krise) gestürzt. Der europäische Marktanteil war dabei entscheidend. Hier rangiert Huawei inzwischen bei 40 %. Die europäischen Telekomnetzbetreiber, die seit Jahren mit Druck auf Umsatz, Marge und Cash-flow kämpfen, schätzen neben hoher Qualität und attraktiven Preisen auch die Innovationskraft des Technologieriesen aus dem Reich der Mitte, der sich gestützt auf ein milliardenschweres Entwicklungsbudget eine führende Position beim künftigen Mobilfunkstandard 5G erarbeitet hat.Nun ist auch die Bastion Europa bei Huawei unter Beschuss geraten, nachdem die US-Regierung unter Donald Trump im Handelskrieg mit China buchstäblich aus allen Rohren gegen die beiden Telekomausrüster feuert. Erst wurde ZTE durch ein US-Embargo für Komponentenlieferungen praktisch lahmgelegt und zu schmerzhaften Konsequenzen gezwungen, die das Unternehmen für Jahre schwächen dürften, nun steht Huawei am Pranger. Die Verhaftung von Finanzchefin Meng Wanzhou ist ein Eskalationsschritt, der einmal mehr signalisiert, mit welcher Hemdsärmeligkeit Trump durchsetzt, was er für wirtschaftliche Interessen der USA hält.Die Haltung der europäischen Telekomunternehmen, die Huawei im Wesentlichen die Stange halten, allen voran die Deutsche Telekom, mag vielleicht naiv erscheinen. Aber die Unternehmen insistieren auf einer unabhängigen Beurteilung deutscher beziehungsweise europäischer Sicherheitsbehörden und wenden sich zu Recht dagegen, schlicht dem politischen Diktat der USA zu folgen. Dazu besteht in der Sache schon kaum Anlass, weil seit den Enthüllungen von Edward Snowden bekannt ist, dass auch Netzprodukte von US-Technologieriesen wie Cisco oder Microsoft Hintertüren enthalten haben.Darüber hinaus muss indes auch der Siegeszug Huaweis und die damit verbundene starke Abhängigkeit der Telekomnetzbetreiber von diesem Unternehmen zu denken geben, die – bei aller Betonung einer Multilieferantenstrategie – in einem Marktanteil von 40 % deutlich wird. Auch dieses Segment des Technologiesektors erweist sich als eines, wo europäische Firmen Schwäche zeigen, wenn Europa hier auch immerhin Global Player wie Nokia und Ericsson vorzuweisen hat. In anderen Bereichen, namentlich bei den Telekomnetzbetreibern und gar in der Internet-Ökonomie, ist die Schwäche ausgeprägter. Europa sollte anfangen, auch endlich über eine eigene Standortpolitik nachzudenken. Diese muss nicht protektionistisch sein. Aber Europa sollte sich dem Vergleich wirtschaftspolitischer Erfolgsrezepte, die in den USA wie China technologische Global Player ermöglicht haben, stellen. Sonst bleibt es ein Schlachtfeld, auf dem man regelmäßig die Kollateralschäden zu tragen hat.—–Von Heidi RohdeDie US-Offensive gegen chinesische Telekomausrüster hat die bisherige “Standortpolitik” aus dem Gleichgewicht gebracht. Europa muss Stellung beziehen.—–