Schnelle Züge ausgebremst
Notiert in Mailand
Schnelle Züge ausgebremst
Italiens Bahn-Hochgeschwindigkeitsnetz gilt als vorbildlich. Doch in letzter Zeit häufen sich die Probleme.
Von Gerhard Bläske
bl Mailand
Italiens Bahn-Hochgeschwindigkeitsverkehr ist eine Erfolgsgeschichte: Seit 15 Jahren verbinden die schnellen Frecciarossa- und Italo-Züge Mailand und Rom in nur drei Stunden. Dank der Konkurrenz zwischen zwei Anbietern − der Staatseisenbahn Trenitalia und dem Italo-Konsortium − sind die Preise auch noch sehr günstig. Zwischen Turin, Mailand, Venedig, Rom und Neapel ist die Bahn das weitaus schnellste Verkehrsmittel. Und die Züge sind gut ausgelastet. Zu den Hauptverkehrszeiten verkehrt alle paar Minuten ein Hochgeschwindigkeitszug zwischen der Wirtschaftsmetropole Mailand und Rom – fast so häufig wie die U-Bahn. In einer im Dezember veröffentlichten Rangliste rangierte Trenitalia vor der Schweizer SBB sogar auf Platz eins unter Europas Bahnunternehmen. Die Deutsche Bahn lag auf Platz 16.
Überlastetes Netz
Doch ausgerechnet der Erfolg der schnellen Züge wird nun zum Problem, denn das System ist überlastet. Mehrere hundert Züge konnten in den letzten Tagen entweder gar nicht erst losfahren oder sammelten stundenlange Verspätungen an. Die Ursachen waren vielfältig und wirkten sich oft landesweit aus. Einmal lag es an einer Unterbrechung des Stromnetzes in Mailand, dann an einem defekten Schalter und dann wiederum an einer gebrochenen Schiene. Vor einigen Monaten hatte ein schlecht eingeschlagener Nagel für eine stundenlange Unterbrechung gesorgt.
Deutsche Bahnreisende kennen solche Probleme. Aber in Italien ist das neu. Die Opposition wirft Verkehrsminister und Lega-Chef Matteo Salvini schwere Versäumnisse vor und fordert seinen Rücktritt. Der schiebt die Schuld auf frühere Links-Regierungen. Doch Salvini ist seit 2022 Verkehrsminister und zuvor hatten den Posten Vertreter seiner Partei Lega inne. Ex-Premier Matteo Renzi weist süffisant darauf hin, das Salvini länger in der Regierung sitzt als er selbst.
Mangelhafte Wartung
Die Staatseisenbahn dagegen sieht eine „merkwürdige Häufung“ von Vorfällen und hat Klage gegen unbekannt wegen Sabotage eingereicht. Dafür gibt es jedoch bisher keinerlei Hinweise.
Für unabhängige Beobachter sind – ähnlich wie einst bei der eingestürzten Autobahnbrücke von Genua – mangelnde Wartung und fehlende Investitionen in das Netz und die Technik Ursache der Probleme. Die Technik an Knotenpunkten wie Mailand, Florenz oder Rom sei veraltet. Und statt die immer wieder auftauchenden Probleme zu beheben, würden neue Strecken konzipiert und gebaut, deren wirtschaftlicher Nutzen nicht immer nachvollziehbar sei. Derzeit sind Hochgeschwindigkeitsverbindungen zwischen Turin und Lyon, Mailand und Genua, Verona und dem Brenner, zwischen Neapel und Bari sowie nach Kalabrien und in Sizilien in Planung bzw. größtenteils schon in Bau.
Salvini schmückt sich lieber mit solchen Prestigeprojekten, zu denen auch die Errichtung einer mindestens 13 Mrd. Euro teuren Brücke nach Sizilien gehört, als die Probleme des bestehenden Netzes zu lösen.