LEITARTIKEL

Schwarz-gelbe Bilanz

Nach der letzten Sitzung des Bundesrats beginnt in Berlin nun endgültig die parlamentarische Sommerpause. Schnell verabschiedet haben die Länder noch den europäischen Fiskalpakt, nachdem sie dem Bund für die Zustimmung an anderer Stelle Geld...

Schwarz-gelbe Bilanz

Nach der letzten Sitzung des Bundesrats beginnt in Berlin nun endgültig die parlamentarische Sommerpause. Schnell verabschiedet haben die Länder noch den europäischen Fiskalpakt, nachdem sie dem Bund für die Zustimmung an anderer Stelle Geld abgepresst hatten. Auch die – hierzulande schneller als in der EU – eingeführten Eigenkapitalvorgaben nach Basel III nahmen kurz vor Toresschluss die letzte Hürde. Der Bundestag war schon eine Woche früher in die Ferien gegangen. In einem Wahljahr wäre dies normalerweise die letzte Tagung der Legislaturperiode gewesen. Doch haben sich die Parlamentarier auf zwei Sondersitzungstage Anfang September verständigt. Die schwarz-gelbe Koalition spekuliert auf eine öffentlichkeitswirksame Präsentation ihres Prestigeprojekts der Legislaturperiode: der Haushaltskonsolidierung.Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) plant 2014 einen strukturell ausgeglichenen Etat und eine Nettokreditaufnahmen von nur noch etwas mehr als 6 Mrd. Euro. Von 2015 an will der Bund sogar ohne neue Schulden auskommen. Damit lässt sich Wahlkampf machen, vor allem, wenn der politische Gegner mit der Forderung nach Steuererhöhungen antritt. Die Beratung des Entwurfs knapp drei Wochen vor der Bundestagswahl hat viel von einer Showveranstaltung. Nur wenn CDU/CSU und FDP die neue Bundesregierung stellen sollten, könnten Etat und mittelfristige Finanzplanung unverändert verabschiedet werden. Dem stehen jedoch Wahlversprechen der Union entgegen wie Mütterrente, Familiensplitting und Kindergelderhöhung. Bei der FDP ist es die Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Jede andere Parteienkonstellation wird ohnehin andere Schwerpunkte setzen, und die Wahlforscher erwarten derzeit weder für das schwarz-gelbe noch das rot-grüne Lager eine Mehrheit.Der Haushalt 2014 ist für Schwarz-Gelb jedoch der Vorzeigeerfolg überhaupt. Geholfen haben dabei eine gute Konjunktur und niedrige Zinsen, die der Koalition sprudelnde Steuereinnahmen und geringere Lasten bescherten. Die zusätzlichen Ausgaben für die milliardenschwere Kapitaldotierung des Euro-Rettungsfonds ESM ließen sich vergleichsweise geräuschlos schultern. Auch der Arbeitsmarkt profitierte von der guten Konjunktur, aber auch vom rot-grünen Erbe der Hartz-IV-Reformen. Die gut gefüllten Sozialkassen halfen somit dem Bundeshaushalt.Versprechen im Koalitionsvertrag mit größeren Lasten für die öffentlichen Kassen blieben in der Legislaturperiode auf der Strecke. Nur das Wachstumsbeschleunigungsgesetz gleich nach Amtsantritt brachte wirtschaftsfreundliche Korrekturen in der Unternehmensbesteuerung, die Erhöhung von Kindergeld und -freibetrag sowie die politisch verhängnisvolle, klientelbezogene Mehrwertsteuerbegünstigung für Hotelübernachtungen. Dagegen blieb – nach den Wahlverlusten in vielen CDU-geführten Ländern – die Milderung der kalten Progression, bei der Lohnerhöhungen in der Tasche des Fiskus landen, im Bundesrat hängen. Ebenso wenig konnte Schwarz-Gelb im Bundesrat die Verkürzung steuerlicher Aufbewahrungsfristen mit erheblichen Entlastungen für die Wirtschaft durchsetzen und auch nicht das Steuerabkommen mit der Schweiz. Überdies kamen die nicht zwangsläufig teuren Steuerstrukturreformen keinen Zentimeter voran: der Umbau der Gemeindefinanzen, die Revision der Mehrwertsteuersätze, die unternehmensfreundliche Überarbeitung der Erbschaftsteuer. Schäuble setzte keine Verve hinter die seit Jahren als unlösbar einstuften Vorhaben, die dennoch im Koalitionsvertrag landeten.Dafür wurde die Koalition von der Euro-Krise getrieben, und Berlin marschierte national bei der Finanzmarktregulierung in Europa voran: beim Verbot von Leerverkäufen, bei der Einschränkung des Hochfrequenzhandels, bei Bankenabgabe und Restrukturierungsplänen, bei den Eigenkapitalvorschriften für Banken, bei der Einführung eines leichten Trennbankenregimes. Der Plan, die deutsche Finanzaufsicht bei der Bundesbank zu konzentrieren, hat sich – keineswegs überraschend – als nicht umsetzbar erwiesen. Der Fokus richtet sich aber ohnehin längst auf die europäische Bankenunion. Die Beschränkung von Managergehältern hat Schwarz-Gelb, vor lauter Sorge, von links überholt zu werden, gleich mehrfach in der Legislaturperiode novelliert. Ob die noch frische Regulierungsbilanz positiv ausfällt, muss sich erweisen. Die Finanzbranche ist wegen der zwei Geschwindigkeiten in Berlin und Brüssel auf jeden Fall von doppelter Anpassungslast betroffen.——–Von Angela Wefers Die Haushaltskonsolidierung ist das wesentliche Vorzeigeprojekt von Schwarz-Gelb in der Legislaturperiode. Steuerreformen blieben auf der Strecke.——-