Schwarzes Schaf der Republikaner mit dem Rücken zur Wand
Er ist unbestritten das „schwarze Schaf“ unter den Republikanern. Bei Abstimmungen im Kongress sitzt George Santos mutterseelenallein auf den hinteren Rängen des Plenarsaals im Repräsentantenhaus. Parteifreunde würdigen ihn keines Blickes und wollen schon gar nicht im Gespräch mit dem geschassten Parlamentarier aus New York gesehen werden. Der Grund: Der 34-Jährige hat, um gewählt zu werden, seinen gesamten Lebenslauf frei erfunden. Zudem steht er im Verdacht, mehrfachen Betrug begangen zu haben. Selbst die Republikanische Partei in New York, die ihn zuvor blauäugig gefördert hatte, verlangt seinen Rücktritt.
Doch der unverwüstliche Santos ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, zumindest bis jetzt nicht. Das Amt niederlegen würde er nur dann, „wenn sämtliche 142000 Menschen, die für mich gestimmt haben, das verlangen“, sagte er. Und gefährdet schien sein Job bis jetzt auch nicht zu sein. Doch das könnte sich nun wegen des Skandals um einen körperbehinderten und obdachlosen Kriegsveteranen bald ändern.
Die Liste der Lügen und Skandale, die seit seinem Sieg in New York im vergangenen November aufgedeckt wurde, wird nämlich immer länger. Um jüdische Wähler zu umwerben, bezeichnete sich Santos als „stolzer amerikanischer Jude“ – obwohl seine Eltern beide aus Brasilien kommen und Ahnenforschung seine Behauptung komplett widerlegt hat. Auch will er am Baruch College und der New York University studiert haben, bei denen aber in beiden Fällen kein George Santos jemals immatrikuliert war.
Dann prahlte er mit Jobs bei Citigroup und Goldman Sachs. Die Geldhäuser bestreiten aber, dass Santos jemals bei ihnen gearbeitet habe. Auch hieß es, dass sich seine Mutter am 11. September 2001 in einem der Zwillingstürme des World Trade Center aufgehalten habe. Das einzige Problem dabei: Am Tag der Terroranschläge hielt sich seine Mutter Fatima gar nicht in den USA auf. Die Lügen quittierte Santos schulterzuckend und mit dem lässigen Hinweis, dass er seine „Worte schlecht gewählt“ habe.
Nachdem er schon längst als Serienlügner enttarnt worden war, kam kürzlich ein neuer Skandal ans Tageslicht, der ihm nun zum Verhängnis werden könnte. So hatte Santos vor einigen Jahren, damals unter dem Alias Anthony Devolder, als angeblicher Vertreter einer wohltätigen Organisation 3000 Dollar an Spenden für den Diensthund des behinderten Kriegsveteranen Richard Osthoff gesammelt. Osthoff wollte damit eine lebensnotwendige Operation für den krebskranken Vierbeiner finanzieren, mit dem er auf den Straßen von New Jersey lebte. Als die Spenden dem von „Devolder“ verwalteten Konto gutgeschrieben waren, tauchte Santos plötzlich unter. Von dem Geld sah Osthoff keinen Cent.
Osthoff, dessen Hund bald danach starb, sagte, dass er sein „Vertrauen in die Menschheit verlor, ich konnte mir nicht vorstellen, wer so etwas machen würde“. Trost für den Kriegsveteranen kam nun ausgerechnet vom Bundeskriminalamt FBI, das Santos schon seit längerer Zeit auf dem Radar hat und jetzt ermittelt. Die Beamten wollen wissen, ob der Politiker mit dem Sammeln von Spenden für karitative Zwecke, die dann aber verschwanden, Finanzverbrechen begangen hat.
Das ließ nun auch Kevin McCarthy, den republikanischen Mehrheitschef im Repräsentantenhaus, aufhorchen. Bisher hatte McCarthy die Entgleisungen seines jungen Parteifreundes deswegen ignoriert, weil er zum Erhalt seines eigenen Jobs, der jederzeit ins Wanken geraten könnte, auf Santos’ Stimme angewiesen ist. Angesichts der Tatsache, dass der New Yorker Abgeordnete zu einer immensen politischen Hypothek für die Republikaner geworden ist, kann sich McCarthy aber der Realität nicht mehr verschließen.
Sollte sich herausstellen, dass Santos sich kriminelles Verhalten zuschulden kommen ließ und zudem der Ethikausschuss im Repräsentantenhaus feststellt, dass der Abgeordnete gegen interne Regeln verstoßen hat, dann werde es ein Ausschlussverfahren geben, „und dann wird George Santos nicht mehr im Kongress sein“, so der Mehrheitschef. Möglich ist, dass darauf ein Strafprozess und eine Gefängnisstrafe folgen.