Notiert in ZürichFußballmärchen

Schweizer Fußballwunder

Fußball ist auch in der Schweiz ein Weg zum sozialen Aufstieg. Doch immer mehr Migranten erreichen dieses Ziel auch auf anderen Wegen. Dahinter steht ein erfolgreiches Bildungssystem.

Schweizer Fußballwunder

Notiert in Zürich

Weniger kicken, mehr büffeln

Von Daniel Zulauf

Die Schweiz schreibt in Deutschland gerade an einem Fußballmärchen. Tatsächlich sind die tollen Leistungen der Schweizer „Nati“ aber nur das letzte Kapitel in einer 30-jährigen Erfolgsgeschichte, an der bis heute viele Spieler mit Migrationshintergrund mitschreiben. Die Mehrheit des aktuellen Kaders besteht aus Einwanderern der zweiten, teilweise auch der ersten Generation. Die Mannschaft ist das Abbild eines Landes, in dem 40% der Menschen im Alter von über 15 Jahren einen Migrationshintergrund aufweisen.

Attraktiv für Einwanderer

Die Schweiz ist ein attraktives Land für Einwanderer. Dass die starke Zuwanderung auch politische Gegenreaktionen erzeugt, ist wenig verwunderlich und für eine Demokratie auch nur normal. Zu wenig kommen in der öffentlichen Diskussion aber die vielfältigen positiven Effekte der Migration zur Sprache, wie sie an der Fußball-EM gerade sichtbar werden.

Typischerweise lässt sich ein umgekehrt proportionaler Zusammenhang zwischen fußballerischem Ehrgeiz und sozialem Status feststellen. Das ist auch in der Schweiz der Fall. Nach der Statistik des nationalen Fußballverbandes üben aktuell 222.324 Schweizerinnen und Schweizer aller Alterskategorien den Sport aktiv aus. Das sind 3,4% der Menschen, die einen Schweizer Pass besitzen. Bei den meisten Migranten mit ausländischer Staatszugehörigkeit ist der Anteil aktiver Fußballer und Fußballerinnen deutlich höher. Die Italiener kommen auf 5,1%, die Spanier auf 5,2%, die Türken auf 5,7%, die Kosovaren auf 7,2%, die Portugiesen auf 7,3% und so weiter.

Nur wenige Deutsche mit Spielerlizenz

Dass von den fußballverrückten Deutschen nur 2,5% eine Spielerlizenz in der Schweiz besitzen, ist nur auf den ersten Blick erstaunlich. Viele Deutsche sind als hochqualifizierte Berufsleute in die Schweiz gekommen. Für sie ist Fußball als Chance zum sozialen Aufstieg irrelevant.

Vergleicht man die Statistik mit jener vor 15 oder 20 Jahren, lässt sich aber feststellen, dass sich Verhältnis von aktiven Fußballerinnen und Fußballern zur eigenen Bevölkerungsgruppe in fast allen Nationalitäten jenem der Schweizer angleicht. So hatten 2008 noch 6,3% Italiener eine Schweizer Spielerlizenz. Bei den Spaniern waren es 6,1%, bei den Türken sogar 8,4%. Diese Beobachtung passt zu dem empirisch belegten Fakt, dass die Zuwanderer aus diesen Regionen in puncto Bildung und sozialem Status immer mehr zu den Schweizern aufschließen. Daran dürfte das duale Schweizer Bildungssystem einen erheblichen Anteil haben. Viele Zuwanderer nutzen die Möglichkeit, nach dem Berufsabschluss via Fachhochschule den Sprung auf die tertiäre Bildungsstufe zu schaffen. So verliert der Fußball etwas vom Ernst des Lebens und wird zum reinen Spaß.

Das mag der „Nati“ auf längere Sicht zum Nachteil gereichen. Aber Migranten, die mehr büffeln statt kicken, helfen sich selbst und mehren den Wohlstand aller. Hopp Schwiiz!

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