LEITARTIKEL

Spezialisierte Rezepte

Die globale Pharmaindustrie sorgt derzeit für das Kontrastprogramm. Während es in vielen Branchen Gewinnwarnungen hagelt, glänzen die großen Arzneimittelhersteller mit der Anpassung ihrer Prognosen nach oben. Nach einem starken zweiten Quartal...

Spezialisierte Rezepte

Die globale Pharmaindustrie sorgt derzeit für das Kontrastprogramm. Während es in vielen Branchen Gewinnwarnungen hagelt, glänzen die großen Arzneimittelhersteller mit der Anpassung ihrer Prognosen nach oben. Nach einem starken zweiten Quartal wächst in vielen Konzernen die Zuversicht, das Wachstum im laufenden Jahr weiter beschleunigen zu können. Dabei ist das Umfeld für die Branche mit regulatorischen Eingriffen und Preisdiskussionen in wichtigen Märkten nicht ohne Herausforderungen.Die großen Spieler profitieren aktuell vielerorts vom Wachstum junger Produkte, darunter zahlreiche neue Krebsmedikamente. Dies spiegelt die Forschungserfolge der vergangenen Jahre. 2018 zeichnete sich mit fast 60 in den USA neu zugelassenen Medikamenten als produktivstes Jahr seit zwei Dekaden aus. Die globalen Anbieter stecken immer mehr Mittel in Forschung und Entwicklung, fast 90 Mrd. Euro im vergangenen Jahr, sodass die Zulassungsdynamik anhalten sollte. Damit sollte die Basis für weiteres Wachstum gelegt sein.Die Fokussierung auf neue innovative Produkte ist die adäquate Strategie angesichts zunehmender gesellschaftspolitischer Debatten über angemessene Preise für Medikamente. In den Industrienationen jedenfalls wird teure innovative Arznei in der Regel akzeptiert, sofern sie einen signifikanten Therapieerfolg garantiert. Das trifft speziell auf hoch spezialisierte Krebsmedikamente zu, aber auch auf Mittel gegen seltenere Erkrankungen, wenn sie einen hohen Nutzen aufweisen.Zahlreiche Pharmakonzerne haben angesichts dieser Szenarien neue Wege eingeschlagen, um die Entwicklung herausragender Therapieansätze zu forcieren und die Marktführerschaft in für sie zentralen Behandlungsfeldern zu erlangen. War es früher in der Branche verbreitet, zur Risikostreuung in vielen Marktsegmenten unterwegs zu sein, wird nun die Königsdisziplin gestärkt. Die Anbieter trennen sich vom Geschäft mit Tiergesundheit, frei verkäuflichen Gesundheitsprodukten oder patentfreien Nachahmermedikamenten. Im Trend liegt es auch, im Portfolio der patentgeschützten rezeptpflichtigen Produkte das etablierte Sortiment zu separieren und dafür Partnerschaften zu suchen. Innovationen haben klar Priorität.Ein typischer Vertreter für die Trendwende in der Pharmaindustrie ist Pfizer. Der US-Konzern hat in der Vergangenheit das Geschäft auch mit großen Übernahmen ausgebaut – sich zum Beispiel 2009 für 68 Mrd. Dollar den Wettbewerber Wyeth einverleibt und Ende 2015 zur 160 Mrd. Dollar schweren Akquisition des Rivalen Allergan angesetzt. Die weltgrößte Pharmaübernahme wurde jedoch abgesagt, als das US-Finanzministerium die Steuervorteile der Dealkonstruktion, die einen Umzug des Unternehmenssitzes nach Irland beinhaltete, zunichte machte. Pfizer tröstete sich mit einer 14 Mrd. Dollar schweren Barofferte für den Krebsmittelspezialisten Medivation, legte lange gehegte Pläne für eine Aufspaltung des Konzerns zu den Akten und suchte nach neuen Lösungen, um schwindenden Umsätzen etwas entgegenzusetzen.Schon vor dem CEO-Wechsel Anfang 2019 zeichnete sich ab, wo die Reise hingehen könnte. Pfizer gliederte das Geschäft in drei Teile und bekräftigte, strategische Alternativen für das Geschäft mit frei verkäuflichen Gesundheitsprodukten zu suchen, nachdem sich für den offenbar gewünschten Kaufpreis von 20 Mrd. Dollar kein Erwerber fand. Eine passgenaue Lösung wurde dann mit dem britischen Wettbewerber GlaxoSmithKline entwickelt, indem beide Consumer Healthcare zusammenlegten und einen Weltmarktführer formten, der Kurs auf die Londoner Börse nimmt. Damit war das mit niedrigeren Gewinnmargen behaftete Geschäft aus dem Haus. Stattdessen stärkte der Konzern abermals gezielt das Onkologiegeschäft mit der Übernahme von Array Biopharma für 11 Mrd. Dollar mit der Hoffnung, in der Krebstherapie einen großen Schritt voranzukommen.Der nächste Champion wird nun gemeinsam mit dem Generika-Konzern Mylan platziert. Auch diese Einheit will sich in ihrem Geschäft an die Spitze setzen vor den bisherigen Platzhirschen Teva. Der M&A-Appetit bleibt also groß, er folgt aber anderen strategischen Vorgaben als in der Vergangenheit. Es geht darum, das eigene Potenzial für Wachstum möglichst maßgeschneidert zu kräftigen. Dafür nimmt der Konzern in Kauf, weiter in die Zukunft zu schauen, als heute Umsatz zuzukaufen. Das kann für Investoren zur Geduldsprobe werden.——Von Sabine WadewitzDie Pharmaindustrie zeigt deutliches Wachstum und strukturiert vielerorts das Portfolio neu, was Investoren auf Geduldsproben stellen kann.——