Spreader-Event für das NEM-Virus
Unterm Strich
Spreader-Event für das NEM-Virus
Von Claus Döring
Erfolgreiche Unternehmer werden in der Öffentlichkeit oftmals als Steuertrickser dargestellt. Ausgerechnet der öffentlich-rechtliche Fernsehsender ZDF befördert solche Vorurteile.
Während die Ampel-Koalitionäre die letzten Milliarden zusammenkratzten, um einen verfassungsgemäßen Haushalt für 2024 auf die Beine zu stellen, während Rhino- und Coronaviren die Krankenstände in Deutschland auf Rekordhöhen trieben, lud das ZDF zum Spreader-Event für das NEM-Virus (Neid, Eifersucht, Missgunst). Zur besten Sendezeit nahm der öffentlich-rechtliche Sender sein Millionenpublikum mit auf die Reise in „Die geheime Welt der Superreichen: das Milliardenspiel“. Nach Monaco, wo im Hafen unzählige Luxusyachten in der Sonne glitzern. In den Privatjet des Capri-Sonne-Milliardärs Hans-Peter Wild. In den exklusiven China Club Berlin, das „zweite Zuhause“ des Multimillionärs und Reichtumsforschers Rainer Zitelmann. Einige reiche Wichtigtuer stehen dann für die 237 Milliardärsfamilien in Deutschland, die das Autorenduo ausfindig gemacht haben will, von denen aber leider niemand vor die Kamera wollte. Vermutlich ahnten sie, in welch verzerrenden Kontext sie in dieser Schlüsselloch-Reportage gestellt worden wären, in der ein „Informant“ aus der Steuerberaterbranche in einem anonymen Interview behauptet, es sei mit legalen Mitteln möglich, den Steuersatz auf Vermögenserträge auf unter ein Prozent zu drücken. Faktencheck? Fehlanzeige! Wie zum Beweis werden dafür einige verdeckt gedrehte Filmschnipsel aus einer Steuerfachtagung gezeigt, bei der eine Referatsleiterin aus dem Bundesfinanzministerium angeblich über den Werkzeugkasten aggressiver Steuergestaltung plaudert.
Würde der Film über die Superreichen zu später Stunde bei RTL 2 oder Vox gezeigt, hätte er das passende Trash-TV-Umfeld. Aber zur besten Sendezeit eines mit Gebührengeldern finanzierten öffentlich-rechtlichen Senders ausgestrahlt, leistet eine solche Doku einen verheerenden Beitrag zur ohnehin dürftigen Finanzbildung der Deutschen. Es werden sämtliche Vorurteile gegen Unternehmertum und wirtschaftlichen Erfolg bedient und mit einer „geheimen Liste“ und Namen wie Quandt, Klatten, Schwarz, Merck, Reimann, Kühne, Albrecht, Porsche, Henkel, Otto usw. garniert. Kein Wort über die volkswirtschaftliche Bedeutung von Unternehmerfamilien und ihre Leistungen als Innovatoren, Steuerzahler, Investoren, Risikokapitalgeber, Stifter und auch Mäzene. Dafür völlig schiefe Vergleiche über angebliche Steuerquoten der Reichen in Deutschland von über 60% in den 1990er Jahren gegenüber knapp 25% heute.
Apropos Superreiche: Nach den Daten des Global Wealth Report von Boston Consulting gibt es in Deutschland 2.900 Superreiche. Das sind Personen mit einem Finanzvermögen von mehr als 100 Mill. Dollar. Sie halten ein Fünftel des Finanzvermögens der Deutschen von insgesamt 9 Bill. Euro. Was dabei gern unterschlagen wird: Die Ansprüche der „armen“ deutschen Angestellten an gesetzliche Rentenversicherung, Betriebsrenten und Beamtenpensionen summieren sich immerhin auf einen Wert von 7,5 Bill. Euro.
Ganz weit oben auf der Liste der reichsten Deutschen steht Dieter Schwarz. Aus aktuellem Anlass hat die "Neue Zürcher Zeitung" dieser Tage den öffentlichkeitsscheuen Lidl-Gründer und Einzelhandelstycoon porträtiert, der schon vor 20 Jahren seine Unternehmensgruppe in eine Stiftung eingebracht hat, die einen Teil der Erträge gemeinnützigen Zwecken zuführt. Jüngstes Beispiel: Der Aufbau eines Forschungszentrums für künstliche Intelligenz in Heilbronn, der Geburtsstadt des heute 84-Jährigen. In Kooperation mit der ETH Zürich werden von der Schwarz-Stiftung 20 neue Professuren über einen Zeitraum von 30 Jahren finanziert. Sie sollen beitragen, Heilbronn zum größten Ökosystem für KI in Europa zu machen. Viele Unternehmer und ihre Familien geben über Stiftungen große Teile ihres Vermögens an die Gesellschaft zurück, nicht nur in den USA, auch in Deutschland. Wer seinen Blick stur auf angeblich zu niedrige Steuern reicher Unternehmer richtet, bleibt einäugig – und sieht auch mit dem Zweiten nicht besser.