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Ständige Schwänzer vertiefen die Bildungslücke in den USA

Seit der Corona-Pandemie ist die Zahl der US-Gymnasiasten, die dem Unterricht fernbleiben, in Städten wie Washington deutlich gestiegen. Das wiederum hat die Bildungskluft zwischen Weißen und ethnischen Minderheiten weiter aufgerissen.

Ständige Schwänzer vertiefen die Bildungslücke in den USA

Notiert in Washington

Ständige Schwänzer in Washington

Von Peter De Thier

Seit Jahrzehnten beklagen sich US-Bürgerrechtler darüber, dass die soziale und ökonomische Kluft zwischen Weißen und ethnischen Minderheiten ein Ergebnis des tiefen Spalts im Bildungssystem ist. So haben nach Angaben des Census Bureau 42% der weißen US-Bürger, die mindestens das 25. Lebensjahr vollendet haben, einen Studienabschluss. Dem stehen nur 27% der Afroamerikaner und knapp 21% der Latinos gegenüber, die sich ein Diplom über den Schreibtisch hängen können. Der akademische Abschluss führt in der Regel zu einem höheren Einstiegsgehalt bei Eintritt in das Berufsleben. Er bestimmt auch die weitere Entwicklung während der gesamten Karriere.

Schuld sind zum Teil die hohen Kosten der besten Unis, wo sich die jährlichen Studiengebühren auf über 60.000 Dollar belaufen können. Auch geben Kritiker der hohen Selbstrekrutierungsquote der besten Colleges Schuld an der Diskrepanz. Diese benachteilige Minderheiten, meinen sie. Dem widersprechen allerdings Top-Unis wie die Hochschulen Harvard, Yale, Princeton und die University of Virginia. Sie betonen, dass bei gleichen Qualifikationen Vertreter ethnischer Minderheiten sogar bessere Aufnahmechancen haben.

Angst vor gewalttätigen Überfällen

Unterdessen liefern die öffentlichen Schulen in Washington D.C. eine mögliche Erklärung für den geringen Anteil von Minderheiten an den Akademikern. So zeichneten sich im vergangenen Jahr 47% der Gymnasiasten in High Schools mit überwiegend schwarzen Schülern durch „chronische Abwesenheit“ aus. Als chronische Schwänzer werden Schüler eingestuft, die im Verlaufe eines Jahres mindestens zehnmal unentschuldigt dem Unterricht fernbleiben. Bei Prüfungen fallen sie dann häufig durch.

Das Schwänzen wurzelte in der Corona-Pandemie, als Schüler zu Hause saßen, den Laptop einschalteten und der Unterricht über Zoom-Konferenzen stattfand. „Meine Kinder tun sich schwer, jeden Morgen die Busfahrt in die Schule anzutreten, wenn sie dasselbe vom Schreibtisch in ihrem Schlafzimmer aus lernen können.“ Damit begründet Shawna H., die Mutter von 17-jährigen Zwillingen, das ständige Schwänzen. „Meine Freunde und ich fühlen uns einfach unsicher“, sagt der 18-jährige Montez Hardy von der Ballou High School, wo 2023 90% der Schüler ständige Schwänzer waren. Er verweist auf die mehr als 300 gewalttätigen Überfälle, die von Jugendlichen verübt wurden. Häufig auf dem Weg zur und von der Schule. 

Washingtons Bürgermeisterin Muriel Bowser will der Abwesenheit, die viele Schüler am erfolgreichen Abitur hindert, nun einen Riegel vorschieben. Das UPLIFT-Gesetz sieht Beratungs- und Hilfsdienste für Schwänzer und deren Familien vor. Und zwar besonders intensiv, wenn der Schüler in ein Verbrechen verwickelt war. Experten loben die demokratische Bürgermeisterin für ihr Engagement. Sie hegen aber Zweifel daran, inwieweit der Vorstoß der tiefen Bildungskluft Abhilfe schaffen kann.  

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