Stille Nächte an der Themse
Schon bevor Boris Johnson Anfang des Monats den „Plan B“ für den Umgang mit der Pandemie aktivierte, haben viele Briten Hotel- und Restaurantbuchungen für Weihnachten und Silvester storniert. Wie bereits im Vorjahr versuchen besorgte Wissenschaftler seit Wochen, die Regierung über die Medien in einen erneuten Lockdown zu drängen. Das weckt trotz der sehr erfolgreichen Impfkampagne diffuse Ängste in der Bevölkerung.
Die Spaltung der Gesellschaft in Lockdowner, denen unterstellt wird, den Verlust von Freiheit und Stabilität zu genießen, und Covid-Skeptiker, die den Ernst der Lage angeblich nicht verstehen, ist tiefer als der Riss, der seit dem Brexit-Referendum durch das Land geht. In Londons gehobenen Wohnvierteln steigt die Zahl der Menschen, die nur noch mit Maske unterwegs sind. Selbst im Fitnessstudio wollen sie manche nicht ablegen. Und obwohl Johnson die Menschen nicht dazu bewegen wollte, auf Weihnachtsfeiern zu verzichten, und Pubs und Restaurants im Gegensatz etwa zu Clubs von der wieder eingeführten Maskenpflicht zunächst verschont wurden, bleiben viele lieber zu Hause.
Ganz entgegen den Annahmen der Verhaltensforscher, die Johnson im vergangenen Jahr berieten, wurden die Briten bereits vor der Verkündung neuer Maßnahmen immer vorsichtiger. Das berühmte Feuerwerk an der Themse, zu dem sich in normalen Zeiten um die 100000 Menschen entlang des Victoria Embankment drängten, wurde mit Blick auf die Unwägbarkeiten der Pandemie schon im Oktober abgesagt.
Was also tun an Weihnachten oder Silvester, wenn man keine Lust mehr auf das virtuelle Beisammensein hat? Darauf gibt es in der BBQ-Nation Großbritannien eigentlich nur eine Antwort, selbst wenn ein Schneesturm tobt: Wer ein paar Quadratmeter Garten oder Hof sein Eigen nennt, macht Feuer – entweder in der Feuerschale oder im Holzkohlengrill, auf dem sich auch noch eine Menge Party-Snacks zubereiten lassen. Feuerwerk ist nicht verboten. Doch lässt man es auf der Insel lieber bei anderen Gelegenheiten krachen.
Für viele Briten gibt es dagegen nichts Schöneres, als in eine warme Decke eingewickelt am Feuer zu sitzen, Kastanien zu rösten und Glühwein zu trinken. Die Kinder dürfen dabei Marshmallows in die Flammen halten, und die Nachbarn beschweren sich nicht über den Qualm, weil sie bei der Kälte die Fenster sowieso lieber geschlossen halten. Abgesehen davon müsste schon das Haus in Flammen stehen, bevor sie sich überhaupt melden.
Noch britischer wäre, sich dafür zu verkleiden. Fancy Dress Parties erfreuen sich zu jeder Zeit großer Beliebtheit. Man ist zwar gezwungenermaßen unter sich, aber es ist ja trotzdem ein besonderer Anlass. Und wer das neue Jahr nicht als Piratin, Stripper oder Zombie einleiten will, kann sich ja in Schale werfen. Es gibt ja gerade wenige Möglichkeiten, das kleine Schwarze oder die Fliege zu tragen. Wer keinen Platz an der frischen Luft hat, kann sich einen Heimkino-Beamer besorgen oder ein Karaoke-Set. Auf diese Weise haben viele Menschen im vergangenen Jahr Weihnachten und Silvester begangen.
Dieses Jahr wird es vielerorts nicht anders sein. Kein Wunder, dass der Alkohol in Strömen fließt. Ein Klassiker unter den Cocktails für diese Jahreszeit ist der Snowball. Man füllt ein Glas mit Eiswürfeln, gibt einen Schuss Limettensaft hinzu und gießt im Verhältnis 1:1 mit Eierlikör und Limonade auf. Als Dekoration bieten sich Maraschinokirschen an. Wer es lieber warm mag, kann sich an Cinnamon Butter Rum versuchen. Dafür benötigt man mit Gewürzen aromatisierten Rum, von dem es mittlerweile auch in Deutschland eine ganze Reihe von Sorten gibt. Einfach 25g Butter mit zwei Esslöffeln braunem Zucker und kleinen Zimtstangen in einer Stielkasserolle erwärmen und rühren, bis die Butter geschmolzen ist und der Zucker sich aufgelöst hat. Dann 200 ml Spiced Rum einrühren und in feuerfesten Gläsern servieren. Hat man ein paar davon intus, fällt es nicht mehr so schwer, das vergangene Jahr Revue passieren zu lassen und mit Freunden und Familienmitgliedern über das Erreichte, das Versäumte und die Pläne für die Zukunft zu sprechen. Vielleicht sind es ja die stillen Momente, die Menschen einander näherbringen.