Notiert in Schanghai

Stilles Wasser und schäumende Patrioten

Chinas meistverkauftes Mineralwasser Nongfu Spring kommt seit jeher ohne Kohlensäure daher. Plötzlich aber bringt es heimische Patrioten gehörig in Wallung.

Stilles Wasser und schäumende Patrioten

Notiert in Schanghai

Stilles Wasser und schäumende Patrioten

Von Norbert Hellmann

Der reichste Mann in China ist erstaunlicherweise kein Tech-Baron, sondern macht in Wasser. Zhong Shanshan, der Gründer und Haupteigner des börsennotierten Getränkekonzerns Nongfu Spring, kommt auf ein geschätztes Vermögen von etwa 60 Mrd. Dollar. Das macht ihn mit großem Abstand zur Nummer 1 in China und sorgt für Platz 8 auf der Weltrangliste.

Hasstiraden

Chinas soziale Medien haben sich nie sonderlich um den weder besonders fotogenen noch an öffentlichen Auftritten interessierten 70-jährigen Milliardär gekümmert. In diesen Tagen ist das anders. Obwohl er nichts gesagt oder getan hat, schlagen dem Old-School-Entrepreneur im Netz Hasstiraden entgegen.

Boykottaufruf

Aufgeregte Patrioten fordern zum Boykott von Nongfu Spring auf, was auf eine gewisse Resonanz stößt. In den ersten beiden Märzwochen sah man einen fühlbaren Verkaufsrückgang. Der Anlass für die Aufregung ist ein denkbar seltsamer. Kürzlich verstarb Zong Qinghou, der längst aus dem Geschäftsleben zurückgezogene Gründer des Branchenkonkurrenten Wahaha.

Wahaha war mit Mineralwasser und Milchgetränken nach der Jahrtausendwende zu einer Kultmarke in Chinas aufstrebender Konsumlandschaft avanciert. Es kam zu einem monumentalen Streit mit dem Joint-Venture-Partner Danone, bei dem sich Zong durchsetzte und den französischen Joghurt-Giganten beiseite schubste.

Steiler Abstieg

Mit der Alleinherrschaft über Wahaha brachte es Zong zeitweilig zum reichsten Mann in China. Er stammte aus einfachsten Verhältnissen und verband unternehmerischen Erfolg mit kommunistischer Parteitreue. Das machte ihn besonders populär. In den letzten Jahren bewies Wahaha jedoch wenig Marketinggeschick, verpasste den Anschluss bei jüngeren Verbraucherschichten und gab immer mehr Terrain an Nongfu ab.

Ominöse Japan-Connection

Mit dem Ableben des „Losers“ der chinesischen Wasserschlacht lassen sich nationalistisch gestimmte Nostalgiker nun am Gewinner aus. Der Nongfu-Gründer wird bezichtigt, ein reiner Profiteur und kein guter Chinese zu sein. Zum Beispiel, weil sein Sohn einen US-Pass besitzt. Beseelte Wutbürger meinen gar Hinweise gefunden zu haben, dass Nongfu mit versteckter Sympathie für den Erzfeind Japan spielt.

Beweisstück Nummer 1 ist ein Label von Eistee aus dem Hause Nongfu, das angeblich einen japanischen Tempel zeigt. Auf anderen Teeflaschen sieht man ein griechisches Zeichen. In deren Form erkennen die Netzdetektive Ähnlichkeit zum Torbogen des Yasukuni Schreins in Tokio. Der wiederum ist ein besonders kontroverses Mahnmal für japanische Kriegshelden.

Hochverdächtiger Schraubverschluss

Die Wasserflaschen von Nongfu Spring ziert ein roter Schraubverschluss. Das macht die Beweislast erdrückend. Was passiert nämlich, wenn man den roten Stöpsel auf ein weißes Blatt Papier legt? Ja genau, dann hat man die japanische Nationalflagge mit dem dicken roten Punkt vor Augen! Ob man das Zeug da noch trinken kann, muss jeder Chinese mit seinem guten antijapanischen Gewissen ausmachen.

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