Notiert in BrüsselTierschutz

Tanz um den Wolf

Das aktuell größte Aufregerthema in Europa? Ob man Wölfe schießen darf. Europas Richter haben nun entschieden: Wenn überhaupt nur dann, wenn es ein böser Wolf ist.

Tanz um den Wolf

Notiert in Brüssel

Tanz um den Wolf

Von Detlef Fechtner

Es gibt eine ganze Menge strittige Themen, die in Brüssel binnen Nanosekunden für Aufruhr und Empörung sorgen. Beispielsweise die immer wiederkehrende Frage, ob die Europäische Union zur Bewältigung akuter Probleme gemeinsam an Finanzmärkten Geld aufnehmen sollte – Stichwort Euro-Bonds. Oder auch die regelmäßig auftauchende Debatte über die aufsichtsrechtliche Behandlung von öffentlichen Schulden – Stichwort Nullgewichtung von Staatsanleihen. Gemeinhin reicht es, eines dieser Stichworte in die Diskussion zu werfen – und sofort steigt die Raumtemperatur und alle Diskussionsteilnehmer fallen übereinander her.

Doch alle diese Kontroversen werden – was den Grad an ausgelöster Schnappatmung angeht – aktuell von einem absoluten Aufregerthema getoppt: Wölfe. In einigen Teilen Europas habe die Frage, ob Wölfe geschossen werden dürfen, die Debatten an den Wahlkampfständen vor der Europawahl dominiert, berichten diejenigen, die vor Ort dabei waren. In diesen Debatten sei von Europa-Kritikern das Wolfsjagdverbot – juristisch gesehen der strenge Schutz der Wolfspopulation durch die EU-Habitat-Richtlinie – zum besonders flagranten Beleg der vermeintlichen Ignoranz der EU-Kommission gegenüber den alltäglichen Problemen der Menschen erklärt worden.

Richter setzen hohe Hürden

Nun dürfte der Tanz um den Wolf in eine neue Runde gehen. Denn Europas oberste Richter haben in ihrem jüngsten Urteil extrem hohe Hürden für Ausnahmen vom Wolfsjagdverbot gesetzt. Umweltschützer waren in Tirol vor Gericht gegangen, nachdem die Landesregierung den Abschuss eines Wolfes genehmigt hatte, der zwanzig Schafe gerissen hatte.

Der EU-Gerichtshof kommt nun jedoch zum Urteil, dass das Wolfsjagdverbot in strikter Form auch in Österreich beachtet werden müsse. Ausnahmen seien allenfalls denkbar, wenn nachweislich sei, dass es sowohl in Tirol als auch in ganz Österreich und sogar in ganz Europa einen ausreichenden Bestand an Wölfen gebe – das Fachwort lautet „günstiger Erhaltungszustand“. Und wenn zugleich gewiss sei, dass ernste Schäden (etwa getötete Schafe) „dem betreffenden Tierexemplar“ zuzurechnen seien. Vulgo: Dass es sich bei dem Tier, das zum Abschuss freigegeben werde, tatsächlich um einen bösen Wolf handele.

Die politische Reaktion auf das Urteil ließ nicht lange auf sich warten. Der österreichische FPÖ-Europaabgeordnete Roman Haider (nicht verwandt mit dem verstorbenen Jörg Haider) beklagt, die EU-Richter hätten keine Ahnung von den Gegebenheiten im alpinen Gelände. Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber wiederum macht sich dafür stark, die EU-Habitat-Richtlinie ebenso wie die Berner Konvention zum Erhalt wildlebender Tiere zu überarbeiten. Denn ansonsten prognostiziert Ferber: „Wenn man das so handhabt wie die Richter am EuGH, werden irgendwann Wolfsrudel durch die europäischen Straßen ziehen.“

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